Widerruf der Versorgungszusage durch Arbeitgeber
Für Führungskräfte spielt die betriebliche Altersversorgung eine wichtige Rolle. Mit steigendem Einkommen wächst auch der Versorgungsbedarf. Viele Arbeitgeber gewähren daher ihren leitenden Angestellten und Führungskräften oft komfortable Betriebsrenten. Doch was ist, wenn die Führungskraft wegen grober Pflichtverletzungen in Ungnade gefallen ist? Kann der Arbeitgeber eine unverfallbar gewordene Versorgungszusage wegen Verletzung der Treuepflicht widerrufen?
Widerruf der Versorgungszusage nur im Ausnahmefall
Betriebliche Versorgungsleistungen stehen unter dem Eigentumsschutz des Artikel 14 Grundgesetz. Sobald die gesetzliche Unverfallbarkeit (§ 1b Betriebsrentengesetz) eingetreten ist, ist eine einseitige Änderung der Versorgungszusage durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich. Dies gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter haben. Betriebliche Altersversorgung ist Entgelt des Arbeitnehmers, also die Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit.
Erst vor kurzem hat sich das Bundesarbeitsgericht wieder mit der Frage des Widerrufs der Versorgungszusage auseinandergesetzt. Einem Leiter des Kundendienstes mit Prokura war mit Wirkung zum 1. Januar 1985 eine Pensionszusage erteilt worden, die am 1. Januar 1988 unverfallbar geworden war. Im November 2005 widerrief der Arbeitgeber die Versorgungszusage, weil der Arbeitnehmer ihn seit dem Jahr 1979 jährlich um ca. 100.000 DM geschädigt habe. Die Führungskraft hatte als Retouren zurückgesandte Elektrogeräte nach einer Aufarbeitung als Schrott klassifiziert, sie dann aber selbst weiter verkauft. Außerdem habe er auf Scheinrechnungen für nicht erbrachte Leistungen insgesamt 973.394,80 Euro bezahlt.
Das Bundesarbeitsgericht hat zu Gunsten der Führungskraft entschieden. Aufgrund des Entgeltcharakters kann die betriebliche Altersversorgung nicht bereits dann widerrufen werden kann, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen erheblichen Vermögensschaden zugefügt hat. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber auch nicht ohne Weiteres von der Zahlung der vereinbarten Vergütung befreien. Der Arbeitgeber ist vielmehr gehalten, den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Nur in Ausnahmefällen, wenn sich das Festhalten an dem Versorgungsanspruch als rechtsmissbräuchlich erweist, kann ein Widerruf der Versorgungsleistungen gerechtfertigt sein. Dies ist etwa der Fall, wenn die Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu einer Existenzgefährdung des Arbeitgebers geführt haben. Hat der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Grundlage des Arbeitgebers gefährdet, hat er durch sein eigenes Verhalten die Gefahr heraufbeschworen, dass seine Betriebsrente nicht gezahlt werden kann, so die Erfurter Richter. In dem Fall hatte der Arbeitgeber jedoch nicht geltend gemacht, dass er durch die Verfehlungen der Führungskraft in eines existenzbedrohende Lage gebracht worden.
Ebenso kann der Arbeitgeber die Versorgungszusage widerrufen, wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat. Das ist anzunehmen, wenn eine rechtzeitige Entdeckung derartiger Verfehlungen zur fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar werden konnte und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vertuschung des Fehlverhaltens daran gehindert hat, noch vor Eintritt der Unverfallbarkeit zu kündigen. Eine Vertuschung in diesem Sinne kann auch darin liegen, dass sich der Arbeitnehmer seine Stellung in der Betriebshierarchie und die damit verbundene Abhängigkeit anderer Mitarbeiter zunutze macht, um seine Pflichtverletzungen zu verschleiern. Hierzu lagen jedoch keine Feststellungen vor, weshalb der Fall vom Bundesarbeitsgericht zur Aufklärung an das Landesarbeitsgericht wieder zurück verwiesen wurde (BAG, Urteil v. 13.11.2012, 3 AZR 444/10).
Tipp: Damit ist klar, allein ein Fehlverhalten, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, kann einen Widerruf einer Versorgungszusage nicht rechtfertigen. Der Widerruf der Versorgungszusage dient weder dazu, pflichtwidriges Verhalten zu sanktionieren oder auf einfachem und schnellem Weg einen Schadensersatzanspruch zu befriedigen. Wenn Sie sich die Versorgungszusage auf redlicher Weise verdient haben, können Sie Ihre Anwartschaft nicht allein durch die Verletzung vertraglicher Treuepflichten verlieren. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ist nach der Rechtsprechung nur bei ungewöhnlich gravierenden Verstößen des Arbeitnehmers zulässig (BGH, Urteil v. 22.06.1981, II ZR 146/80) und das auch nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit der Anwartschaft erschlichen hat oder durch sein Fehlverhalten dem Arbeitgeber ein erheblicher, existenzgefährdender Schaden zugefügt worden ist, so dass sich die vom Arbeitnehmer erbrachte Betriebstreue rückwirkend betrachtet als wertlos erweist (vgl. BAG, Urteil v. 08.05.1990, 3 AZR 152/88). Bei Vergleichsverhandlungen und Trennungsvereinbarungen sollten Führungskräfte daher sich nicht einschüchtern lassen und nicht auf ihre berechtigten Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung verzichten.“