Wie Sie Ihren Urlaubsanspruch bei Teilzeit berechnen: Auch während der Teilzeitarbeit behalten Sie Ihren vertraglichen oder gesetzlichen Urlaub. Ob der Urlaubsanspruch bei Teilzeit anteilig gekürzt wird, hängt davon ab, an wieviel Tagen in der Woche Sie arbeiten.
Anspruch auf Urlaub
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub. Der gesetzliche Urlaub beträgt mindestens 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Als Werktage gelten alle Tage, außer Sonn- und Feiertage.
Teilzeitarbeit bei einer 5-Tage-Woche
Sofern Sie an weniger als 6 Tagen in der Woche arbeiten, werden die im Gesetz genannten Werktage zu den vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitstagen rechnerisch zueinander in Beziehung gesetzt. Bei einer Verteilung auf 5 Tage ergibt sich ein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen (24 : 6 x 5 = 20). Im Ergebnis verfügt jeder Arbeitnehmer damit über 4 Wochen Urlaub (BAG, Urteil v. 08.05.2001, 9 AZR 240/00).
Wenn Sie Ihre Teilzeittätigkeit an fünf Tagen in der Woche ausüben, jedoch nur halbtags, ändert sich Ihr Urlaubsanspruch damit nicht. Sie erhalten genauso viele Tage wie vorher bzw. wie ein Vollzeitmitarbeiter (mindestens 20 Tage). Das Bundesurlaubsgesetz geht aufgrund von § 3 Abs. 1 BUrlG vom Tagesprinzip aus. Der Urlaub wird daher nicht stundenweise, sondern immer Tageweise berechnet und gewährt. Sofern Ihr Arbeitstag aufgrund der Teilzeit keine vollen 8 Stunden umfasst, ändert dies nichts an Ihrem Urlaubsanspruch. Auf die individuelle Stundenzahl des Arbeits- btw. Urlaubstages kommt es nicht an. Der Urlaub wird also aufgrund der geringeren Stundenzahl nicht gekürzt.
Beispiel:
Nach dem Arbeitsvertrag haben Sie Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Kalenderjahr. Sollten Sie Ihre wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden in der Woche reduzieren, bleibt Ihr Anspruch von 30 Tagen Urlaub im Kalenderjahr während der Teilzeitbeschäftigung unverändert, solange Sie die 20 Stunden an 5 Tagen in der Woche arbeiten.
Teilzeitarbeit an weniger als 5 Tagen in der Woche
Bei der Berechnung der Höhe des Urlaubsanspruchs bei Teilzeit muss deshalb erst geklärt werden, an wie vielen Tagen in der Woche Sie verpflichtet sind, zu arbeiten. Arbeiten Sie aufgrund der Teilzeit an weniger als fünf Tagen in der Woche, wird Ihr Urlaubsanspruch entsprechend umgerechnet:
Beispiel:
Wenn Sie bei einer Fünf-Tage-Woche 27 Urlaubstage erhalten, ist bei einer Verkürzung der Arbeitszeit auf weniger Arbeitstage in der Kalenderwoche der individuelle Urlaub umzurechnen:
Arbeitstage/Wo | Berechnung | Urlaubstage |
---|---|---|
4 Arbeitstage | 27 : 5 x 4 | 21,6 Urlaubstage |
3 Arbeitstage | 27 : 5 x 3 | 16,2 Urlaubstage |
2 Arbeitstage | 27 : 5 x 2 | 10,8 Urlaubstage |
1 Arbeitstag | 27 : 5 x 1 | 5,4 Urlaubstage |
Ergeben sich bei der Umrechnung Bruchteile vom Urlaubstagen sind diese nicht auf volle Urlaubstage aufzurunden, sondern in Stunden zu gewähren. Im öffentlichen Dienst werden sie jedoch aufgrund einer Durchführungsanweisung zu § 26 TVöD aufgerundet.
Ist die Arbeitszeit nicht gleichmäßig auf die Kalenderwoche verteilt, ist für die Umrechnung der Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird. Bei einer über das Kalenderjahr ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitstage ist der Urlaubsanspruch jahresbezogen zu ermitteln. Die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage ist mit der Anzahl der möglichen Arbeitstage im Jahr ins Verhältnis zu setzen. Dabei geht das Bundesarbeitsgericht für die Sechstagewoche von 312 Werktagen bzw. bei einer Fünftage-Woche von 260 möglichen Arbeitstagen im Jahr aus (BAG, Urteil v.19.03.2019, 9 AZR 315/17).
Die danach maßgebliche Urlaubs-Umrechnungsformel lautet:
Urlaubsanspruch im Kalenderjahr x Anzahlt der Tage mit Arbeitspflicht
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260 Arbeitstage im Jahr
Urlaub bei Wechsel von Vollzeit in Teilzeit
Vermutlich werden Sie nicht genau zum 1. Januar eines Kalenderjahres in Teilzeit übergehen, sondern irgendwann im Laufe des Kalenderjahres. Sie werden dann noch nicht alle Urlaubstage aus der Vollzeittätigkeit genommen haben.
Bisherige Praxis
Die bisherige Praxis sah so aus, dass bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit der gesamte Urlaubsanspruch an die neue Anzahl der Arbeitstage angepasst wurde. Wenn Sie also nur an drei Tagen in der Woche arbeiten, verkürzte sich Ihr gesamter Urlaubsanspruch nach dem oben genannten Beispiel von 27 Urlaubstagen auf 16,2 Urlaubstage im Kalenderjahr.
Auch die Urlaubsansprüche, die Sie während der Vollzeittätigkeit erworben haben, wurden damit reduziert. Dies galt selbst dann, wenn Sie zum 1. Januar in Teilzeit wechselten und noch Resturlaub aus dem vorangegangenen Jahr hatten, der übertragen wurde (BAG, Urteil v. 28.04.1998, 9 AZR 314/97).
Neue Rechtsprechung
Der Europäische Gerichtshof schob dieser Berechnungspraxis nun einen Riegel vor, weil sie mit EU-Recht nicht vereinbar ist (Beschluss v. 13.06.2013, C 415/12). Die Kürzung des Urlaubsanspruchs ist laut EuGH ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten.
Der EuGH beschäftigte sich nach einer Vorlage durch das Arbeitsgericht Nienburg mit dem Fall einer Mutter, die nach der Elternzeit in Teilzeit zurückkehrte und nur noch im Umfang von 3 Arbeitstagen pro Woche arbeiten wollte. Aus der Vollzeittätigkeit hatte sie noch 29 Urlaubstage, die sie wegen des Mutterschutzes und der Elternzeit nicht nehmen konnte. Der Arbeitgeber reduzierte den Urlaubsanspruch nach Aufnahme der Teilzeittätigkeit wegen der geringen Arbeitstage auf 17 Urlaubstage.
EuGH: Kürzung des Urlaubs ist nicht zulässig
Der EuGH entschied, dass während der Vollzeitbeschäftigung erworbene Urlaub nicht gemindert werden darf. Der Urlaub soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfügen. Dieser Zweck kann auch noch dann erfüllt werden, wenn der Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt genommen wird. Der EuGH stellte – im Gegensatz zum Bundesarbeitsgericht – heraus, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als zu dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit steht.
Gleichzeitig wies der EuGH auch darauf hin, dass der für die Teilzeit geltende „Pro-rata-temporis-Grundsatz“ (verhältnismäßige Kürzung) auf die Gewährung des Jahresurlaubs für die Zeit der Teilzeitbeschäftigung anzuwenden ist. Denn für diese Zeit ist die Minderung des Anspruchs auf Jahresurlaub gegenüber dem bei Vollzeitbeschäftigung bestehenden Anspruch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben (BAG, Urteil v. 10.02.2015, 9 AR 53/14 (F)). Bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit darf der während der Vollzeit erworbene Urlaub nicht gemindert werden. Der Urlaubsanspruch muss somit nach Zeitabschnitten für die Vollzeit und die Teilzeit neu berechnet werden. Arbeitgeber können sich uach nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen.
Daraus ergeben sich für Sie folgende Konsequenzen:
Auswirkung auf die Urlaubstage
Bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit ist zwischen dem Urlaub, den Sie während der Vollzeitbeschäftigung und dem, den Sie ab der Teilzeit erwerben zu unterscheiden. Der Urlaub entsteht zwar nach dem deutschem Urlaubsrecht nicht jeden Monat anteilig, sondern immer zu Beginn eines Jahres in voller Höhe. Gleichwohl ist die Berechnung des Urlaubs gesondert für den Vollzeit- und den Teilzeitabschnitt nach der Rechtsprechung des EuGH sachlich geboten.
Beispiel:
Sie haben 27 Urlaubstage im Kalenderjahr
Vollzeit: 01.01.2022 – 31.08.2022
Teilzeit: ab dem 01.09.2022 – 3 Tage in der Woche
Es ist zwischen den Zeitabschnitten Vollzeit und Teilzeit zu unterschieden:
Vollzeit (8 Monate): 18 (27 : 12 x 8 = 18)
Teilzeit (4 Monate) : 5,33 (16,2 : 12 x 4 = 5,33)
Gesamt: 23,33
In dem Beispiel erhalten Sie somit 23,33 Urlaubstage im Jahr, wenn Sie von Vollzeit auf Teilzeit wechseln.
Auswirkung auf das Urlaubsentgelt
Das Urteil des EuGH hat jedoch nicht nur Auswirkung auf die Urlaubstage, die nicht gekürzt werden dürfen, sondern damit auch auf das Urlaubsentgelt. Auch das Urlaubsentgelt, also die Vergütung die Sie während des Urlaubs erhalten, darf bei einem Übergang von Vollzeit in Teilzeit nicht gemindert werden, wenn der Urlaub noch vor Verringerung der Arbeitszeit stammt (BAG; Urteil v. 20.03.2018, 9 AZR 486/17). Insofern ist auch bei der Berechnung der Vergütung danach zu unterscheiden, aus welchem Zeitabschnitt – Vollzeit oder Teilzeit – der Urlaub stammt.
Wenn Sie also nach dem oben genannten Beispiel die während der Vollzeitphase erworbenen 18 Urlaubstage erst während Ihrer Teilzeit nehmen, erhalten Sie für diese Tage Ihr Gehalt nach Ihrem Bruttogehalt während der Vollzeitbeschäftigung und nicht nach Ihrem aktuellen Teilzeitgehalt. Für die während der Teilzeit erworbenen 5,33 Urlaubstage erhalten Sie hingegen Ihr Teilzeitgehalt.