Definition leitender Angestellter – nicht jede Führungskraft ist auch gleich ein leitender Angestellter.
Begriff der Führungskraft
Der Begriff Führungskraft ist kein Rechtsbegriff im Arbeitsrecht sondern entstammt ursprünglich der Organisationstheorie. Führungskraft bezeichnet eine Person, die im Unternehmen Führungsaufgaben, wie zum Beispiel die Planung, Organisation und Kontrolle von Aufgaben und/oder die Führung von Mitarbeitern, wahrnimmt.
In Anstellungsverträgen von Führungskräften findet sich häufig eine Klausel, wonach die Führungskraft leitender Angestellter sein soll. Doch allein eine solche Regelung macht die Führungskraft noch nicht zum leitenden Angestellten. Auf die Vorgesetztenfunktion kommt es nicht an. Ebensowenig kommt es auf die Zahl, der einer Führungskraft unterstellten Mitarbeiter, die Höhe des Einkommens, der Wahrnehmung von Aufgaben auf einer bestimmten Leistungsebene im Unternehmen oder auf eine bestimmte Ausbildung für die Eigenschaft als leitender Angestellter an (BAG, Urteil. v. 23.01.1986, 6 ABR 51/81).
Anders als Geschäftsführer und Vorstände sind leitende Angestellte zwar Arbeitnehmer, sodass für sie grundsätzlich auch die arbeitsrechtlichen Regelungen gelten. Allerdings sehen einige Gesetze Ausnahmen vor. So gilt zum Beispiel für leitende Angestellte das Betriebsverfassungsgesetz und das Arbeitszeitgesetz nicht und der Kündigungsschutz nur eingeschränkt.
Für Sie als Führungskraft ist es immens wichtig, ob Sie aufgrund Ihrer Stellung im Unternehmen unter die Gruppe der leitenden Angestellten fallen.
Wann Sie als Führungskraft leitender Angestellter sind
Der Arbeitgeber kann den Status eines leitenden Angestellten nur dadurch begründen, dass er Ihnen Aufgaben und Funktionen zuweist, die zur Einordnung als leitender Angestellter nach den folgenden Gesetzen führt. Ohne eine entsprechende Aufgaben- und Funktionszuweisung kann er Sie nicht zum leitenden Angestellten, auch nicht durch eine Regelung im Arbeitsvertrag, ernennen.
Die Arbeitsgesetze sehen jedoch keine einheitliche Definition des leitenden Angestellten vor:
Betriebsverfassungsrechtliche Definition leitender Angestellter
Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
1. Personalbefugnis
– zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
Ergänzung durch Alster-Rechtsanwälte: Zwar bedarf eine den Anforderungen des § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG genügende Personalführungsbefugnis keiner ausdrücklichen, schriftlichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Es genügt, wenn ein darauf gerichteter Wille der Vertragsparteien hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Ein solcher Wille kann sich aus der praktischen Durchführung eines Vertragsverhältnisses ergeben, weil die tatsächlich geübte Vertragspraxis Rückschlüsse auf das von den Arbeitsvertragsparteien tatsächlich Vereinbarte erlaubt (BAG, Urteil v. 16.04.2002, 1 ABR 23/01).
2. Handelsrechtliche Bevollmächtigung
– Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
Ergänzung durch Alster-Rechtsanwälte: Allein die Erteilung einer Generalvollmacht oder Prokura genügt für den Status als leitender Angestellter jedoch nicht. Dazu ist vielmehr erforderlich, dass das Aufgabengebiet, das der Prokura zugrunde liegt, im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist. Ausschlaggebend für die Zuordnung eines Prokuristen zum Personenkreis der leitenden Angestellten sind daher nicht nur die mit der Prokura verbundenen formellen und umfassenden Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis, sondern auch die damit verbundenen unternehmerischen Aufgaben, um derentwillen dem Arbeitnehmer die Prokura verliehen worden ist. Als leitender Angestellter muss ein Prokurist unternehmerische Führungsaufgaben wahrnehmen (BAG. Beschluss v. 25.03.2009, 7 ABR 2/08). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den zu § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG (herausragende Stellung) entwickelten Grundsätzen (siehe unten).
Die unternehmerischen Führungsaufgaben dürfen sich aber – anders als bei leitenden Angestellten nach Nr. 3 – nicht in der Wahrnehmung sog. Stabsfunktionen erschöpfen. In einer Stabsfunktion erfüllt der leitende Angestellte eine unternehmerische bedeutsame Aufgabe dadurch, dass er planend und beratend tätig wird und kraft seines besonderen Sachverstandes unternehmerische Entscheidungen so vorbereitet, dass die eigentliche Unternehmensführung an seinen Vorschlägen nicht vorbeigehen kann (BAG, Beschluss v. 25.03.2009, 7 ABR 2/08). Der unternehmerische Einfluss von Angestellten in Stabsfunktionen ist auf das Innenverhältnis zum Unternehmer beschränkt. Sie üben keine Aufgaben aus, die regelmäßig einem Prokuristen kraft gesetzlicher Vertretungsmacht (§ 49 HGB) vorbehalten sind. Ihren Entscheidungen kommt im Gegensatz zu denjenigen eines Angestellten in sog. „Linienfunktion“ keine unmittelbare Außenwirkung zu. Für ihre Aufgaben hat die Prokura – ebensowenig wie bei Titularprokuristen – keine sachliche Bedeutung. Das schließt es aus, sie als leitende Angestellte anzuerkennen.
3. Herausragende Stellung
– regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Einscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Der leitende Angestellte muss diese Funktionen nach Arbeitsvertrag und Stellung wahrnehmen. Es reicht nicht es aus, dass der Angestellte die Aufgaben faktisch wahrnimmt, ohne dass sie ihm vertraglich eingeräumt sind. Ebensowenig reicht es aus, dass dem Angestellten die Funktionen im Arbeitsvertrag zwar zugewiesen worden sind, er sie aber tatsächlich gar nicht ausübt.
Die Befugnis zur selbstständigen Einstellung und Entlassung nach § 5 Abs 3 S 2 Nr 1 BetrVG muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen, im Innen- und Außenverhältnis bestehen und eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern erfassen. Die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung liegt nur dann vor, wenn die Einstellung- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht (BAG, Beschluss v. 25.03.2009, 7 ABR 2/08). Die Personalkompetenz muss sich deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen (BAG, Beschluss v. 10.10.2007, 7 ABR 61/06).
Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bestehen. An dem Merkmal der Selbständigkeit fehlt es, wenn der Angestellte nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, nicht aber im Innenverhältnis zu seinen Vorgesetzten befugt ist, über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden. Die Ausübung der Personalkompetenz darf nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein (BAG, Beschluss v. 25.03.2009, 7 ABR 2/08). Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder Zweitunterschriften einholen muß, die wie vorliegend einer Richtigkeitskontrolle dienen, aber nicht mit einer Entscheidungsbefugnis des Dritten verbunden sind.
Ergänzung durch Alster-Rechtsanwälte: Um eine solche unternehmerische (Teil)Aufgabe annehmen zu können, muss dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener, erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung stehen. Das heißt, er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung im Rahmen seines Tätigkeitsbereiches versehen sein und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblich Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben.
Häufig fehlt es in der Praxis bereits an dem eigenen Entscheidungsspielraum. Selbst wenn Teilaufgaben der Unternehmensentwicklung wahrgenommen werden, müssen Pläne häufig von der Geschäftsführung oder der Zentrale eines Mutterkonzerns genehmigt werden. Entscheidungen werden damit nur vorbereitet. Doch auch die Vorbereitung erfolgt in der Regel nicht weisungsfrei. Angestellte sind hierbei an Vorgaben der regionalen Führungsebene oder Geschäftsführung gebunden. Um in einer Stabsfunktion als leitender Angestellter angesehen werden zu können, muss man kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schaffen, an denen die Unternehmensleistung schlechterdings nicht vorbeigehen kann (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.08.2014, 10 Sa 467/14).
Der maßgebliche Einfluss fehlt jedenfalls dann, wenn der Angestellte nur bei der reinen arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichtsrat- oder Überwachungsfunktionen (BAG, Beschluss v. 25.03.2009, 7 ABR 2/08).
Wenn noch Zweifel bestehen
Wenn zwar vieles für die Annahme eines Status als leitender Angestellter spricht, aber dennoch einige Zweifel bestehen, können nach § 5 Abs. 4 BetrVG einige Hilfstatsachen zur Bestimmung des Status als leitender Angestellter herangezogen werden. Danach ist leitender Angestellter nach dem vorgenannten 3. Punkt (herausragende Stellung) im Zweifel, wer
- aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
- einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
- ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitenden Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches überschreitet.
Die Bezugsgröße nach § 18 SGB IV liegt derzeit (2018) bei 36.540 Euro (West) und 32.340 Euro (Ost).
Sofern Sie somit im Jahr 2018 mehr als 109.620 Euro (97.020,00 Euro in den neunen Bundesländern) verdienen, sind Sie im Zweifel als leitender Angestellter im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn einzustufen. Aber dies gilt in der Regel nur, wenn auch der Grundtatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG erfüllt ist.
Folge ist, dass für Sie als leitender Angestellter nicht der Betriebsrat, sondern der Sprecherausschuss zuständig ist, sofern dieser gebildet ist.
Kündigungsschutzrechtliche Definition leitender Angestellter
Nach § 14 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sind leitende Angestellte
- Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte,
- soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.
Im Gegensatz zu den organschaftlichen Vertretern (Geschäftsführer und Vorstand) sind leitende Angestellte echte Arbeitnehmer. Auch für Sie gilt grundsätzlich der allgemeine Kündigungsschutz.
Mit „Geschäftsführer“ sind hier jedoch nicht Organ-Geschäftsführer einer GmbH gemeint. Diese sind keine Arbeitnehmer und für Sie gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Gemeint sind Personen, die leitende unternehmerische Aufgaben wahrnehmen und das Unternehmen oder den Betrieb führen. Hierbei ist es unerheblich, ob die im kaufmännischen, organsisatorischen, technischen oder personellen Bereich geschieht.
Der leitende Angestellte muss unternehmerische Teilaufgaben wahrnehmen. Das heißt, er muss Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische oder personelle Führung des Unternehmens oder Betriebes nehmen und dabei einen erheblichen Entscheidungsspielraum besitzen. Auf eine bestimmte Leitungsebene oder Gehaltsgrenze kommt es hingegen nicht an.
Darüber hinaus muss der leitende Angestellte zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sein. Dabei darf die Befugnis nicht nur im Innenverhältnis, sondern muss auch im Außenverhältnis bestehen. Von einer Berechtigung zur selbstständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn Sie lediglich Vorschläge unterbreiten dürfen. Die Personalkompetenz muss auch einen wesentlichen Teil Ihrer Tätigkeit ausmachen und darf nicht „nur auf dem Papier“ stehen. Sie muss tatsächlich ausgeübt werden (BAG, Urteil v. 14.04.2011, 2 AZR 167/10).
Daran scheitert schon in den meisten Fällen die Einordnung der Führungskraft als leitender Angestellter. Denn viele Führungskräfte sind zwar auf dem Papier berechtigt, Einstellungen und/oder Entlassungen vorzunehmen, haben hiervon aber keinen oder nur in Einzelfällen Gebrauch gemacht. Gerade in größeren Unternehmen mit eigener Personalabteilung obliegt die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern meist nur dem Leiter der Personalabteilung (HR Director). Alle anderen Führungskräfte scheiden damit in der Regel als leitende Angestellte im kündigungsschutzrechtlichen Sinn aus.
Führungskräfte können somit als leitende Angestellter im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn anzusehen sein, nicht aber auch kündigungschutzrechtlich. Sie genießen dann den vollen Kündigungsschutz.
Sind Sie nach dem Kündigungsschutzgesetz als leitender Angestellter anzusehen, genießen Sie bei einer Kündigung Kündigungsschutz. Das heißt, Ihr Arbeitgeber kann Ihnen nur aus einem der gesetzlichen Gründe (betriebsbedingt, personen- oder verhaltensbedingt) das Arbeitsverhältnis kündigen.
Allerdings kann Ihr Arbeitgeber bei einer rechtswidrigen Kündigung einen Auflösungsantrag stellen, wenn eine „den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit“ nicht zu erwarten ist. Den Auflösungsantrag braucht Ihr Arbeitgeber nicht weiter zu begründen. In diesem Fall löst das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf.