Mit dem November- oder Dezembergehalt erhalten viele Fach- und Führungskräfte ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Manchmal wird es auch Gratifikation oder Weihnachtsgratifikation genannt. Doch was ist, wenn der Arbeitgeber kein Weihnachtsgeld zahlt oder die Rückzahlung des Weihnachtsgeldes nach einer Kündigung verlangt?
Anspruch auf Weihnachtsgeld bei Kündigung
Da das Weihnachtsgeld erst zum Ende des Jahres gezahlt wird, werden wir immer wieder gefragt, ob der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld anteilig zahlen muss, wenn man wegen einer Kündigung schon vorher aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Hierbei kommt es auf den Zweck des Weihnachtsgeldes und der vertraglichen Vereinbarung im Einzelfall an. Bei Sonderzahlungen, wie dem Weihnachtsgeld, unterscheiden Arbeitsrechtler drei Formen:
- Sonderzahlungen, die ausschließlich die Betriebstreue belohnen
- Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter, die ausschließlich Entgelt für geleistete Arbeit darstellen
- Sonderzahlungen mit Mischcharakter, die sowohl die Betriebstreue belohnen sollen als auch Entgelt für geleistete Arbeit darstellen
Von der Zuorndnung zu einem dieser drei unterschiedlichen Zwecke hängt es ab, ob und unter welchen Voraussetzungen Sie im Falle einer Kündigung das Weihnachtsgeld zurückzahlen müssen oder nur anteilig erhalten.
Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder die Betriebstreue belohnen will, ist durch Auslegung der vertraglichen Regelung zu ermitteln.
1. Weihnachtsgeld als Belohnung der Betriebstreue
Das Weihnachtsgeld kann als Treueprämie ausschließlich die Betriebstreue belohnen. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung ab, sondern allein von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag ab.
Ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung (Stichtagsklausel)
Soll die Sonderzahlung allein die Betriebstreue honorieren, kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass der Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld nur erhält, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag ungekündigt besteht. So ist etwa folgende Regelung im Arbeitsvertrag wirksam:
Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.
In diesem Fall haben Sie keinen Anspruch auf das Weihnachtsgeld, wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob Sie selbst oder Ihr Arbeitgeber gekündigt hat. Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, die die Zahlung des Weihnachtsgeldes an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses knüpft, kann selbst dann zulässig sein, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, sondern auf einer betriebsbedingten Kündigung vom Arbeitgeber beruht (BAG, Urteil v. 18.01.2012, 10 AZR 667/10).
Ebenso haben Sie keinen Anspruch auf das Weihnachtsgeld, wenn Sie vor dem Stichtag bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Pech hatte eine Mitarbeiterin, die ausgeschieden war, kurz bevor am schwarzen Brett ein Aushang zum Weihnachtsgeld erfolgte. Obwohl der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld als Anerkennung für die Leistung des zurückliegenden Jahres verstanden wissen wollte, blieb ihr ein anteiliges Weihnachtsgeld versagt, weil ihr Arbeitsverhältnis zum Stichtag nicht mehr bestand (BAG, Urteil v. 26.10.1994, 10 AZR 109/93).
Rückzahlung des Weihnachtsgeldes (Rückzahlungsklausel)
Mit der Sonderzahlung kann der Arbeitgeber auch die zukünftige Betriebstreue honorieren und die Zahlung des Weihnachtsgeldes davon abhängig machen, dass Sie über einen bestimmten Stichtag hinaus noch einen zumutbaren Zeitraum für das Unternehmen tätig sind (BAG, Urteil v. 21.05.2003, 10 AZR 390/02). Sollten Sie zwar nach dem Stichtag der Auszahlung, aber noch vor der Bindungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, können Sie zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet sein.
Bindungsfrist hängt von der Höhe des Weihnachtsgeldes ab
Wie lange Sie nach Auszahlung des Weihnachtsgeldes noch gebunden sind, hängt von der Höhe des Weihnachtsgeldes ab. Eine Klausel zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes darf den Arbeitnehmer nicht in seiner durch Art 12 GG garantierten Berufsfreiheit behindern. Die Rechtsprechung hat daher Grenzwerte für die Dauer der zulässigen Bindung entwickelt, die von der Höhe des Weihnachtsgeldes abhängt. Werden diese überschritten, ist anzunehmen, dass der Arbeitnehmer durch die vereinbarte Rückzahlung in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit behindert wird (BAG, Urteil v. 24.10.2007, 10 AZR 825/06). Die Rückzahlungsklausel ist dann unwirksam.
Weihnachtsgeld von 100 Euro bis unter einem Monatsgehalt
Zahlt der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld zwischen 100 Euro bis unter einem Monatsgehalt ist eine Bindung bis zum 31. März des Folgejahres zulässig.
Tipp: Häufig verwenden Arbeitgeber folgende Rückuzahlungsklausel im Arbeitsvertrag:
Sollte der Arbeitnehmer bis zum 31.03 des jeweils folgenden Jahres aus den Diensten der Firma ausscheiden, so ist er verpflichtet, die Weihnachtsgratifikation zurückzuzahlen.
Eine solche Klausel ist unwirksam. Denn sie hat eine Bindung über den 31.03. hinaus zur Folge. Die Frist „bis zum 31.03.“ endet mit Ablauf dieses Tages. Wird eine Kündigung zum 31.03. ausgesprochen, führt dies zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf dieses Tages. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer bei einer Weihnachtsgratifikation von unter einem Monatsgehalt nur bis zum 31.03. des Folgejahres gebunden werden. Sieht die Rückzahlungsklausel in diesem Fall die Rückzahlung des Weihnachtsgeldes auch bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers am 31. März oder später vor, ist sie unwirksam. Nur ein Ausscheiden vor dem 31. März begründet die Rückzahlungsverpflichtung (BAG, Urteil v. 09.06.1993, 10 AZR 529/92).
Der Arbeitgeber hätte also besser in der Klausel im Arbeitsvertrag das Wort „bis“ durch „vor“ ersetzen sollen. Insofern hängt die Rückzahlung des Weihnachtsgeldes auch manchmal von der Formulierung der Klausel ab.
Weihnachtsgeld von einem Monatsgehalt
Zahlt der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über den 31. März des Folgejahres zulässig.
Weihnachtsgeld zwischen einem und unter zwei Monatsgehältern
Zahlt der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld zwischen einem und unter zwei Monatsgehältern, ist eine Bindung bis zum 30. Juni des Folgejahres zulässig, wenn der Arbeitnehmer bis dahin mehrere Kündigungsmöglichkeiten hatte (BAG, Urteil v. 27.10.1978, 5 AZR 754/77).
2. Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter (13. Monatsgehalt)
Eine Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter liegt vor, wenn sie zum Beispiel wie das 13. Gehalt die erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten soll. Die Sonderzahlung kann auch vom Erreichen persönlicher Ziele abhängen, z.B ein Bonus aufgrund einer Zielvereinbarung. Zweck einer erfolgsabhängigen Vergütung ist die Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Sie soll ein besonderer Anreiz sein, um im Rahmen von Zielvereinbarungen erreichte Ziele zu vergüten. Die erfolgsabhängige Vergütung schuldet der Arbeitgeber als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachten Arbeitsleistung (BAG, Urteil v. 18.01.2012, 10 AZR 612/10).
Auch ein Bonus, der nur an den Unternehmenserfolg anknüpft, wird regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung gezahlt (BAG. Urteil v. 12.04.2011, 1 AZR 412/09).
Keine Rückzahlungsverpflichtung bei 13. Monatsgehalt oder Bonus
Ein 13. Monatsgehalt, einen Bonus oder eine andere variable Vergütung müssen Sie nicht zurückzahlen, wenn Sie im Bezugsjahr oder Folgejahr (z.B. am 31.03.) ausscheiden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzahlung, wie das 13. Monatsgehalt oder der Bonus im Rahmen einer Zielvereinbarung, entsteht während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer des Arbeitsverhältnisses. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden ist die Sonderzahlung immer anteilig für das Jahr zu zahlen. Ein solcher Anspruch kann nicht von dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden. In diesem Fall sind Sie bei einer Kündigung nicht zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes (13.Monatsgehalt) verpflichtet.
3. Sonderzahlung mit Mischcharakter
Schließlich kann das Weihnachtsgeld den Zweck haben, sowohl Ihre Betriebstreue als auch geleistete Arbeit zu honorieren. Man spricht dann von einer Sonderzahlung mit Michschcharakter. Die Feststellung, dass auch die bisherige Arbeitsleistung vergütet werden soll, ergibt sich meist aus einer Klausel im Arbeitsvertrag, wonach die Sonderzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung gemindert, im Ein- oder Austrittsjahr anteilig gezahlt wird oder sich die Höhe nach dem Erreichen persönlicher oder Unternehmensziele ausrichtet.
Die Zahlung eines Weihnachtsgeldes mit einem solchen Michcharakter kann nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag abhängig gemacht werden (BAG, Urteil v. 13.11.2013, 10 AZR 848/12).
Ein Verlag zahlte jährlich mit dem Novembergehalt eine Weihnachtsgratifikation. Im Herbst sandte er an seine Mitarbeiter ein Schreiben, in dem es hieß: „Die Zahlung erfolge an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden. Ferner sollten die Mitarbeiter für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehaltes erhalten. Im Laufe des Jahres eintretende Mitarbeiter erhielten das Weihnachtsgeld anteilig.
Ein Controller, dessen Arbeitsverhältnis zum 30.09.2010 endete, klagte gegen den Verlag und machte das anteilige Weihnachtsgeld für 9 Monate geltend. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Controller Recht. Die Weihnachtsgratifikation soll einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit die Betriebstreue belohnen, dient aber zugleich der Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit. Denn der Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation wurde nach den Richtlinien des Verlages monatlich anteilig erworben. In derartigen Fällen sind Stichtagsregelungen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, weil sie ihm bereits erarbeiteten Lohn entzieht.
Bei einem Weihnachtsgeld mit Mischcharakter ist dann auch eine Rückzahlungklausel unwirksam, wonach Sie zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet sind, wenn Sie nach Auszahlung das Arbeitsverhältnis kündigen.
4. Rückzahlungsklausel im Tarifvertrag
Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Stichtags- und/oder Rückzahlungsklausel in einem Tarifvertrag vereinbart wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat zu einer tarifvertraglichen Sonderzahlung mit Mischcharakter, die also auch Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung darstellt, entschieden, dass diese vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden kann (BAG, Urteil v. 12.12.2012, 10 AZR 718/11). So ist in § 20 TVöD-AT geregelt:
„Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eines Jahressonderzahlung.“
Die Klausel ist wirksam. Sie schränkt insbesondere die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG nicht unverhältnismäßig ein.
Auch die Stichtagsklausel im Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben (ETV) über die Zahlung einer Sonderzuwendung ist wirksam (BAG, Urteil v. 27.06.2018, 10 AZR 290/17):
„Bedienstete erhalten in jedem Kalenderjahr eine Sonderzuwendung, wenn sie nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheiden.“
Tarifverträge sind von einer AGB-Kontrolle ausgeschlossen (§ 310 Abs.4 Satz 1 BGB). Die von der Rechtsprechung oben dargestellten Grundsätze gelten für Tarifverträge nicht. Tarifverträge stehen insoweit Rechtsvorschriften gleich. Sie dürfen nur nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien einen größeren Gestaltungsspielraum. Die Sonderzuwendungen des Arbeitgebers und ihre Voraussetzungen müssen im Zusammenhang mit den Vergütungstarifen gesehen werden. Ein Vorteil im Entgeltsystem kann ein Zugeständnis im Bereich der Gratifikation erforderlich machen. Klauseln, die sonst im Arbeitsvertrag unzulässig sind, können daher in einem Tarifvertrag wirksam sein (BAG, Urteil v. 27.06.2018, 10 AZR 290/17)
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