Was tun, wenn der Arbeitgeber die Rückzahlung von Fortbildungskosten verlangt? Wie Sie sich als Arbeitnehmer gegen unfaire Rückzahlungsklauseln wehren. Mit unseren 5 Tipps und der richtigen juristischen Unterstützung können Sie nicht nur viel Geld sparen, sondern auch Ihre berufliche Zukunft schützen.
Inhaltsverzeichnis
Die Rückzahlung von Fortbildungskosten – Alles, was Sie wissen müssen
Viele Arbeitnehmer freuen sich über die Möglichkeit, eine Fort- oder Weiterbildung zu machen, die vom Arbeitgeber finanziert wird. Gerade für Fach- und Führungskräfte sind Fortbildungen der Schlüssel zu einer erfolgreichen Karriere. Doch was passiert, wenn Sie das Unternehmen vorzeitig verlassen und der Arbeitgeber die Rückzahlung der Fortbildungskosten fordert? Genau in solchen Fällen lohnt es sich, die rechtliche Lage genau zu kennen. Viele Rückzahlungsvereinbarungen sind nämlich unwirksam oder unzulässig. In diesem Artikel erfahren Sie, warum viele Rückzahlungsklauseln unwirksam sind und wie Sie sich erfolgreich dagegen wehren können.
Problem erkannt: Droht Ihnen die Rückzahlung von Fortbildungskosten?
Stellen Sie sich vor: Sie haben an einer teueren Fortbildung teilgenommen, Ihr Arbeitgeber hat die Fortbildungskosten übernommen, doch Ihre Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Vielleicht haben Sie schon ein neues Jobanangebot und wollen jetzt kündigen. Doch Ihr derzeitiger Arbeitgeber fordert nun die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Genau das ist einer unserer Mandantinnen passiert. Nach erfolgreichem Abschluss eines berufsbegleitenden Master-Studiums wurde sie als Verwaltungsangestellte nicht adäquat beschäftigt und hat ihr Arbeitsverhältnis bei dem Land Niedersachsen gekündigt. Ihr Arbeitgeber verlangte von ihr die gesamten Studiengebühren von über 14.000 Euro zurück. Mit unserer Unterstützung konnten wir diese Forderung erfolgreich abwehren.
Viele Rückzahlungsvereinbarungen sind unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab unserer Mandantin recht, da die Bindungsdauer von fünf Jahren als viel zu lang angesehen wurde (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
Die Lösung: So wehren Sie sich gegen die Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Kündigung
Die gute Nachricht: Sie müssen nicht automatisch zahlen, nur weil Sie mit dem Arbeitgeber im Fortbildungsvertrag die Rückzahlung der Fortbildungskosten vereinbart haben. Solche Rückzahlungsklauseln sind zwar nicht generell unzulässig (BAG, Urteil v. 18.03.2008, 9 AZR 186/07). Die Rückzahlungsvereinbarung muss aber einen fairen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sicherstellen. Dabei gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht strenge Anforderungen. Viele Rückzahlungsklauseln sind daher rechtlich unwirksam, vor allem wenn sie zu lange Bindungsfristen oder unfaire Bedingungen enthalten.
Dank unserer Erfahrung im Arbeitsrecht können wir Ihnen helfen, diese Klauseln zu überprüfen und unzulässige Rückforderungen abzuwehren. Dies hat bereits unzähligen Fach- und Führungskräften ermöglicht, ohne finanzielle Belastung den nächsten Karriereschritt zu machen.
Hier sind fünf Tipps, die sie als Arbeitnehmer kennen sollten:
1. Tipp: Rückzahlungsvereinbarung muss vor Beginn der Fortbildung vereinbart sein
Beachten Sie, dass die Rückzahlungsvereinbarung mit Ihrem Arbeitgeber vor dem Beginn der Fortbildung im Vertrag festgelegt werden muss, um rechtlich bindend zu sein. Wenn Sie bereits mit der Fortbildung begonnen haben, kann Ihr Arbeitgeber mit Ihnen keine Rückzahlung von Fortbildungskosten mehr vereinbaren.
2. Tipp: Bringt Ihnen die Fortbildung einen beruflichen Vorteil?
Eine Rückzahlungsvereinbarung ist nur zulässig, wenn die Fortbildung Ihnen besondere Vorteile bringt. Je größer der berufliche Vorteil ist, um so eher ist Ihnen eine Kostenbeteiligung zuzumuten. Häufig liegt der Vorteil darin, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an die erfolgreiche Fortbildung in eine höhere tarifliche Vergütungsgruppe eingruppiert wird, also eine höhere Vergütung erhält, oder bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat (BAG, Urteil v. 05.06.2007, 9 AZR 604/06).
Die erworbenen Kenntnisse der Fortbildung müssen auch außerhalb des aktuellen Arbeitsverhältnisses nutzbar sein. Unwirksam ist die Rückzahlungsvereinbarung, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung ausschließlich bei seinem Arbeitgeber im Betrieb nutzen kann.
3. Tipp: Achten Sie auf die Bindungsdauer
Zu lange Bindungsfristen – wie in unserem Fall von fünf Jahren – sind meist unzulässig. Die Bindungsfrist muss in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Fortbildung stehen (BAG, Urteil v. 14.01.2009, 3 AZR 900/07). Im Einzelfall kann auch bei kürzerer Fortbildung eine verhältnismäßig lange Bindung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Die Rechtsprechung hat folgende Grundsätze entwickelt:
Bei einer Fortbildungsdauer ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung (Freistellung) unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindung zulässig:
Dauer der Fortbildung | Bindungsdauer | Urteil |
---|---|---|
ein Monat | sechs Monate | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 |
bis zu 2 Monaten | 1 Jahr | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 15.12.1983, 5 AZR 279/93 |
3 bis 4 Monate | 2 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 06.09.1995, 5 AZR 241/94 |
6 bis 12 Monate | 3 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 11.04.1984, 5 AZR 430/82 |
mehr als 2 Jahre | 5 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 19.06.1974, 5 AZR 299/73 |
Es handelt sich hier nur um Richtwerte, die je nach Qualität und Kosten der Ausbildung im Einzelfall auch abweichen können. Dabei kommt es für die Fortbildungsdauer darauf an, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Fortbildung unter Fortzahlung der Vergütung freistellt, oder ob er die Fortbildung nebenberuflich in seiner Freizeit absolviert. Besteht die Ausbildung aus mehreren Unterrichtsabschnitten, so sind die dazwischenliegenden Zeiten bei der Berechnung der Dauer nicht mit zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 6.9.1995, 5 AZR 241/94).
Bindungsdauer von 5 Jahren für Master-Studiengang ist deutlich zu lang
Die Bindungsdauer von 5 Jahren für einen berufsbegleitenden Master-Studiengang, der über einen Zeitraum von 4 Semestern geht, ist deutlich zu lang, entschied das LAG Niedersachen. In dem von uns (ALSTER Rechtsanwälte PartmbB) vertretenen Fall verlangte das klagende Land Niedersachsen von der Mitarbeiterin die Studiengebühren für ein berufsbegleitendes Master-Studium „Baurecht im Lebenszyklus von Bauwerken“ der BWI-Bau GmbH – Institut für Bauwirtschaft in Kooperation mit der Fachhochschule Münster. Unsere Mandantin wurde für die Teilnahme an dem berufsbegleitenden Studium an insgesamt 50 Tagen von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bezahlt freigestellt.
Dies rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Bindungsdauer von von einem Jahr. Unter Berücksichtigung der vom klagenden Land aufgewendeten Studiengebühren von 14.280 Euro, sowie des Umstandes, dass die Masterqualifikation für die Mitarbeiterin einen spürbaren, deutlichen Vorteil bringt, da es sich um einen allseitig, insbesondere auch in der gesamten Privatwirtschaft, anerkannten Abschluss handelt, ist aus Sicht des LAG Niedersachen eine Bindung von maximal zwei Jahren zulässig (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
Zu lange Bindungsdauer führt zur Unwirksamkeit
Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
4. Tipp: Beachten Sie den Grund der Kündigung
Unwirksam sind Rückzahlungsklauseln, die Sie auch dann zur Rückzahlung von Fortbildungskosten verpflichten, wenn Sie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu vertreten haben. Der Fortbildungsvertrag muss daher danach unterscheiden, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammt. Eine Klausel, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Fortbildungskosten unabhängig vom Beendigungsgrund verpflichtet, ist unwirksam (BAG, Urteil v. 05.06.2007, 9 AZR 604/06).
Nach der Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer durch seine eigene Betriebstreue Einfluss auf die Rückzahlungsverpflichtung nehmen können. Müsste er die Fortbildungskosten auch dann zurückzahlen, wenn die Ursache der vorzeitigen Beendigung allein im Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers liegt, z.B. bei einer betriebsbedingten Kündigung, würde eine solche Klausel ausschließlich die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen und den Arbeitnehmer damit unangemessen benachteiligen.
Zulässig ist es auch nicht, die Rückzahlungspflicht schlechthin an die Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der Bindungsfrist zu knüpfen. Sieht die Rückzahlungsklausel eine Rückzahlungspflicht auch dann vor, wenn der der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kündigt, ist sie unwirksam (BAG, Urteil v.13.12.2011, 3 AZR 791/09). Das gleiche gilt, wenn die Rückzahlungsverpflichtung besteht, wenn der Arbeitnehmer von sich aus kündigt, weil er aus krankheitsbedingten Gründen oder anderen personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urteil v. 11.12.2018, 9 AZR 383/18; LAG Hamm, Urteil v. 29.01.2021, 1 Sa 954/20).
5. Tipp: Keine Rückzahlung der Fortbildungskosten bei Nichtbestehen
Zulässig ist zwar eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall. dass der Arbeitnehmer die Fortbildung vorzeitig beendet. Allerdings darf die Rückzahlungspflicht nicht an das wiederholte Nichtablegen oder Nichtbestehen der Prüfung geknüpft werden, ohne die Gründe zu berücksichtigen. Ausgenommen müssen die Fälle sein, in denen die Gründe für die Nichtablegung oder das Nichtbestehen der Prüfung nicht im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegen (BAG, Urteil v. 25.04.2023, 9 AZR 187/22).
6. Tipp: Transparente Kosten
Die Fortbildungskosten müssen im Fortbildungsvertrag klar und transparent aufgeschlüsselt sein. Dazu sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der zu erstattenden Kosten anzugeben. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangs- oder Studiengebühren, Fahrt- und Unterbringungs- und Verpflegungskosten, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll und die Angabe nach welchen Parametern diese berechnet werden (BAG, Urteil v. 21.08.2012, 3 AZR 698/10). Verlangt der Arbeitgeber auch die während der Freistellung weiter gezahlte Vergütung zurück, muss der Klausel zu entnehmen sein, ob sich die Rückzahlung der Vergütung auf die Netto- oder Bruttosumme richtet (LAG Köln, Urteil v. 07.03.2014, 10 Sa 395/13).
7. Tipp: Staffelung der Rückzahlung
Außerdem muss eine Staffelung vorgesehen sein, die Rückzahlungssumme über die Bindungsfrist reduziert (BAG, Urteil 23.04.1986, 5 AZR 159/85). Dies kann nach der Rechtsprechung in jährlichen, quartalsweisen oder monatlichen Zeitabschnitten erfolgen. Das LAG Hamm vertritt die Auffassung, dass sich die Fortbildungskosten monatlich reduzieren müssen (LAG Hamm, Urteil v. 09.03.2012, 7 Sa 1500/11).
Fazit: Alles-oder-Nichts-Prinzip
Da es keine gesetzliche Grundlage für die Rückzahlung von Fortbildungskosten gibt, gilt das Alles-oder-nichts-Prinzip: Wenn auch nur ein Teil der Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag unwirksam ist, muss der Arbeitnehmer keine Fortbildungskosten zurückzahlen und der Arbeitgeber trägt die Kosten allen.
Vielleicht stehen Sie auch vor der Frage: Muss ich Fortbildungskosten bei Kündigung wirklich zurückzahlen?
Rückzahlung von Fortbildungskosten FAQ – Häufige Fragen
Vielleicht sind Sie sich unsicher, ob Sie einen Anwalt benötigen oder ob Ihre Rückzahlungsvereinbarung überhaupt angefochten werden kann. Hier sind einige der häufigsten Fragen und Antworten (FQA) darauf:
Ist meine Rückzahlungsvereinbarung überhaupt anfechtbar?
Unsere Erfahrung zeigt: Viele Rückzahlungsvereinbarungen sind zu lang oder unzulässig formuliert. Die Rechtsprechung hat klare Kriterien für Rückzahlung von Fortbildungskosten aufgestellt, wann solche Klauseln unwirksam sind. Wir prüfen das für Sie!
Der Vertrag ist aus Anlass meiner Fortbildung von meinem Arbeitgeber einmalig verwendet worden – muss ich trotzdem zahlen?
Nicht zwangsläufig. Wenn Fortbildungsvertrag ohne Ihre Mitwirkung vom Arbeitgeber vorformuliert wurde, unterliegt auch er der strengen Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 ff. BGB, und zwar auch dann, wenn der Vertrag nur einmalig aus Anlass Ihrer Fortbildung erstellt wurde. Entscheidend ist, dass Sie keinen Einfluss auf den Inhalt des Vertrages, insbesondere auf die Rückzahlungsklausel, nehmen konnten. Ob dies der Fall war, muss Ihr Arbeitgeber im Streitfall konkret darlegen und beweisen (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
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