Wer haftet für Schäden am Dienstwagen bei Rückgabe? Kratzer im Lack, Delle an der Tür, verkratzte Felgen oder Steinschlag auf der Windschutzscheibe bieten häufig Ärger um den Dienstwagen, wenn dieser an den Arbeitgeber zurückgegeben wird. Kann der Arbeitgeber Schadensersatz für Schäden am Dienstwagen vom Arbeitnehmer verlangen?
Haftung des Arbeitnehmers
Grundsätzlich müssen Sie als Arbeitnehmer Rücksicht auf die Rechtsgüter des Arbeitgebers nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Meist besteht im Dienstwagenvertrag eine Regelung, wonach der Arbeitnehmer mit dem Dienstwagen sorgfältig und pfleglich umzugehen hat. Beschädigen Sie den Dienstwagen des Arbeitgebers, stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die Sie nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Daneben haften Sie als Arbeitnehmer auch für unerlaubte Handlungen (§ 823 BGB).
Arbeitgeber muss Pflichtverletzung darlegen und beweisen
Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Gläubiger – hier also der Arbeitgeber – die Pflichtverletzung und den Schaden sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden konkret darlegen und beweisen. Dabei kann bei verhaltensbezogenen Pflichten von dem eingetretenen Schaden auf die Pflichtverletzung geschlossen werden, wenn der Gläubiger dartut, dass die Schadensursache allein aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (wie dies etwa im Mietrecht gilt, wenn für Schäden an der Mietsache allein Ursachen aus dem Gefahrenkreis des Mieters in Betracht kommen). Der Schuldner muss sich dann entlasten, also darlegen und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Für den Bereich der Arbeitnehmerhaftung gilt jedoch eine Beweislastumkehr. Nach § 619a BGB muss der Arbeitnehmer Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Damit muss der Arbeitgeber im Streitfall nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch das Verschulden und die den Grad des Verschuldens (leichteste Fahrlässigkeit, normale Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz) ausmachenden Tatsachen darlegen und beweisen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 01.02.2022, 8 Sa 160/21). Diese Beweislastumkehr gilt nicht nur bei Verletzung von Hauptleistungspflichten, sondern auch bei der Verletzung von Nebenpflichten, wie etwa der Rücksichtnahmepflicht.
Allerdings dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber lag. Der Arbeitnehmer hat sich dann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslst substantiiert zu äußern, sofern der Arbeitgeber Indizien vorträgt, die auf ein haftungsbegründetes Verschulden des Arbeitnehmers hinweisen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 20.10.2020, 5 Sa 48/20; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 01.02.2022, 8 Sa 160/21). Unterlässt es der Arbeitnehmer, sich zu den konkreten Umständen des Schadenfalles zu äußern, so können entsprechende Schlüsse aus diesem Verhalten gezogen werden.
Beispiele für Schäden am Dienstwagen
Schaden an der Windschutzscheibe durch Steinschlag
Bei Schäden an der Windschutzscheibe durch Steinschlag handelt es sich um einen Zufallsschaden, für den Sie als Arbeitnehmer nicht haften. Hier fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.06.2002, 5 Sa 120/01).
Kratzer im Lack, Dellen an der Tür, verkratzte Felgen
Meist weiß der Arbeitnehmer gar nicht nicht, wann und wie die Kratzer im Lack, Dellen an der Tür oder die verkratzten Felgen entstanden sind. Gerade in Großstädten entstehen Kratzer an der Stoßstange beim Ausparken und Dellen an der Tür durch unvorsichtiges Öffnen der Fahrzeugtür durch andere Verkehrsteilnehmer. Die Ursache rührt daher nicht allein aus dem Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Arbeitnehmers.
Bei zerkratzen Felgen liegt es zwar nahe, dass Sie als Fahrer hierfür verantwortlich sind. In Betracht kommen aber auch andere Familienmitglieder, die den Dienstwagen ebenfalls fahren durften.
Da Sie sich als Arbeitnehmer nicht entlasten müssen, obliegt vielmehr Ihrem Arbeitgeber der volle Beweis, dass diese Schäden durch den Arbeitnehmer schuldhaft verursacht worden sind. Dies wird ihm in der Praxis kaum gelingen, da auch er in der Regel nicht weiß, wann und wie die Schäden entstanden sind. Der Arbeitnehmer muss sich in einem Prozess (im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast) insoweit nur erklären, wie er selbst dazu Informationen hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 01.02.2022, 8 Sa 160/21).
Verletzung der Anzeigepflicht
Der Arbeitgeber könnte nun auf die Idee kommen, Ihnen vorzuwerfen, dass Sie ihre Anzeigepflicht verletzt haben, in dem Sie die Schäden am Dienstwagen nicht unverzüglich angezeigt haben. Besteht eine Vollkaskoversicherung würde diese den Schaden bei rechtzeitiger Anzeige in der Regel ersetzen. Wird der Schaden erst bei Rückgabe des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber gemeldet, berufen sich die Versicherer meist auf Leistungsfreiheit oder behandeln jede einzelne Delle oder Kratzer als ein Schadensereignis, für das jedes Mal die Selbstbeteiligung anfällt.
Die Verletzung der Anzeigepflicht setzt aber voraus, dass Sie positive Kenntnis von dem Schaden hatten. Genau das ist aber das Problem, da Schäden wie Kratzer im Lack und Dellen an der Tür meist schleichend entstehen, ohne dass sie bemerkt werden. Ihr Arbeitgeber müsste Ihnen daher konkret nachweisen, dass Sie trotz Kenntnis eines solchen Schadens den Arbeitgeber nicht informiert haben.
Haftung für verursachte Schäden am Dienstwagen durch Unfälle
Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn feststeht, dass die Schäden am Dienstwagen durch Sie als Arbeitnehmer zumindest mitverursacht wurden. So etwa durch einen Verkehrsunfall. Dann haften Sie auch für entstandene Schäden. Da dies aber zu hohen Schadensersatzforderungen führen kann, die der Arbeitnehmer aus seinem Arbeitslohn meist nicht begleichen kann, hat die Rechtsprechung die Haftung von Arbeitnehmern bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten beschränkt (BAG, Urteil v. 05.02.2004, 8 AZR 91/03).
Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung
Eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung kommt nur bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten in Betracht. Der Unfall muss daher während einer Dienstfahrt entstanden sein. Verursachen Sie während einer Privatfahrt einen Unfall, greift die Haftungsbeschränkung nicht. Wenn Sie sich als Arbeitnehmer auf die Haftungsprivilegierung berufen wollen, obliegt es Ihnen darzulegen, dass die Voraussetzungen einer betrieblichen Tätigkeit vorliegen, Sie den Schaden also während einer Dienstfahrt verursacht haben. Ihrem Arbeitgeber obliegt hingegen die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung, den Schaden und (bei Verursachung während einer betrieblichen Tätigkeit) den Grad des Verschuldens. Dies gilt insbesondere für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.
Steht fest, dass Sie die Schäden am Dienstwagen während einer Dienstfahrt verursacht haben, hängt Ihre Haftung vom Grad Ihres Verschuldens ab:
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Bei Vorsatz hat der Arbeitnehmer den Schaden stets und bei grober Fahrlässigkeit in der Regel allein zu tragen. Das Bundesarbeitsgericht hat es für die volle Haftung des Arbeitnehmers bei Vorsatz nicht genügen lassen, dass er sich bewusst über Weisungen des Arbeitgebers hinweggesetzt hat und hieraus ein Schaden entstanden ist. Hält der Arbeitnehmer den Schadenseintritt für möglich, vertraut aber darauf, der Schaden werde nicht eintreten, liegt nur grobe Fahrlässigkeit vor BAG, Urteil v. 18.04.2002, 8 AZR 348/01).
Vorsatz ist nur anzunehmen, wenn Sie den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich voraussehen und den Eintritt billigend in Kauf nehmen.
Wenn Sie während der Fahrt telefonieren oder betrunken fahren, liegt grobe Fahrlässigkeit vor. Dann haften Sie in der Regel voll. Allerdings kann auch bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungsbegrenzung in Betracht kommen, wenn Ihr Verdienst im deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko Ihrer Tätigkeit steht (BAG, Urteil v. 12.10.1989, 8 AZR 276/88; ArbG Berlin, Urteil v. 23.09.2015, 28 Ca 5269/15).
Leichteste Fahrlässigkeit
Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Leichteste Fahrlässigkeit ist etwa anzunehmen, wenn Sie bei Glatteis trotz vorsichtiger Fahrweise einen Unfall verursachen. In diesem Fall haften Sie gar nicht. Ihr Arbeitgeber bzw. die Kaskoversicherung trägt den Schaden voll.
Normale Fahrlässigkeit
Bei normaler Fahrlässigkeit ist der entstandene Schaden zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber quotal zu verteilen (BAG, Urteil v. 05.02.2004, 8 AZR 91/03). Ob und inwieweit der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls. So ist die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 05.02.2004, 8 AZR 91/03). Auch können die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein.
Normale Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, der rechtlich missbilligende Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt voraussehbar und vermeidbar gewesen wäre. Dies ist etwa der Fall, wenn Sie zu schnell gefahren oder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten haben und auf den Vordermann aufgefahren sind. Auch die Missachtung der Vorfahrt rechtfertigt in der Regel den Vorwurf der normalen Fahrlässigkeit (ArbG Berlin, Urteil v. 23.09.2015, 28 Ca 5269/15).
Vollkaskoversicherung
Im Rahmen der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber das Risiko von Schäden am Dienstwagen versichern kann. Er ist zwar nicht verpflichtet, eine Vollkaskoversicherung abzuschließen. Der Nichtabschluss der Versicherung kann aber bei der Abwägung zu Lasten des Arbeitgebers berücksichtigt werden. In der Regel ist dann die Haftung des Arbeitnehmers auf die Höhe der üblichen Selbstbeteiligung von 300 oder 600 Euro beschränkt.
Hat der Arbeitgeber eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen ist Ihre Haftung ohnehin auf die Höhe der Selbstbeteiligung beschränkt.
Abweichende vertragliche Regelungen sind unwirksam
Die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung sind zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Von ihnen kann zu Lasten des Arbeitnehmers weder im Arbeitsvertrag noch in Betriebsvereinbarungen abgewichen werden (BAG, Urteil v. 05.02.2004, 8 AZR 91/03).
Eine Regelung im Dienstwagenvertrag, wie zum Beispiel:
Bei Verschulden eines Unfalls durch den Mitarbeiter trägt dieser die Selbstkostenbeteiligung bis zur vollen Höhe.
ist unwirksam, da die Klausel bei Dienstfahrten nicht nach dem Grad des Verschuldens differenziert (BAG, Urteil v. 05.02.2004, 8 AZR 91/03; LAG Köln, Urteil v. 25.01.2011, 5 Sa 1291/10). Denn nach der Haftungsregelung würden Sie selbst bei leichtester Fahrlässigkeit in Höhe der jeweiligen Selbstbeteiligung haften. Dies widerspricht den Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung, wonach der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit gar nicht haftet
Haftung bei Privatfahrt
Ist der Unfall während einer Privatfahrt entstanden, haftet der Arbeitnehmer für den vollen Schaden. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gelten bei einer Privatfahrt nicht. Auf den Grad Ihres Verschuldens kommt es damit nicht an. Selbst bei leichtester Fahrlässigkeit haften Sie für entstandene Schäden am Dienstwagen.
Zur Privatfahrt gehört in der Regel auch die Fahrt zur Arbeit oder von dort nach Hause (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 09.10.2018, 6 Sa 75/18). Ebenso die eigenmächtige Spaßfahrt mit einem Gabelstapler.
Vollkaskoversicherung
Allerdings ist auch bei Schäden während einer Privatfahrt zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat. Besteht eine Vollkaskoversicherung ist Ihre Haftung auch bei einer Privatfahrt auf die Selbstbeteiligung beschränkt. Hat Ihr Arbeitgeber es versäumt, eine solche Vollkaskoversicherung abzuschließen, haften Sie ebenfalls nur bis zur Höhe der Selbstbeteiligung. Denn Sie dürfen darauf vertrauen, dass Ihr Arbeitgeber im Rahmen der üblichen Schadensvorsorge für den Dienstwagen eine Vollkaskoversicherung abschließt. Dieses Vertrauen ist auch dann geschützt, wenn Sie eine berechtigte Privatfahrt unternehmen (LAG Köln, Urteil v. 22.12.2004, 7 Sa 859/04).
Familienangehörige
Darf der Dienstwagen auch von Familienangehörigen privat genutzt werden, so gehört hierzu auch eine in häuslicher Gemeinschaft lebende Lebensgefährtin (LAG Köln, Urteil v. 22.12.2004, 7 Sa 859/04). Verursacht ein Familienangehöriger während einer Privatfahrt Schäden am Dienstwagen, fällt er gleichwohl in den Schutzbereich der mit der Überlassung des Dienstwagens verbundenen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Somit ist die Haftung von Familienangehörigen die Haftung ebenfalls auf den Umfang der üblichen Selbstbeteiligung beschränkt (LAG Köln, a.a.O.).
Änderung von Dienstwagenregelungen
Häufig wird im Arbeitsvertrag auf die Dienswagenrgenregelung (Car Policy) in der „jeweils gültigen Fassung“ verwiesen. Der Arbeitgeber will sich damit eine Änderung der Dienstwagenregelung vorbehalten. Nicht selten enthält dann die neue Dienstwagenregelung zum Beispiel eine höhere Selbstbeteiligung. Eine solche „Jeweiligkeitsklausel“ ist jedoch nur dann wirksam, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist (BAG, Urteil v. 11.02.2009, 10 AZR 222/08). In den meisten Fällen genügt eine solche Änderungsklausel nicht den Anforderungen der Rechtsprechung und ist daher unwirksam.
Tipp: Bewahren Sie daher immer die konkrete Dienstwagenregelung (Car Policy) auf, die im Zeitpunkt des Abschluss des Arbeitsvertrages oder der Dienstwagenvereinbarung galt. Ihr Arbeitgeber kann sich nicht auf eine neue oder geänderte Dienstwagenregelungen berufen, wenn Sie deren Geltung nicht ausdrücklich zugestimmt haben.
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