Die Kündigung im Ausbildungsverhältnis ist der letzte Schritt, wenn es dem Ausbildungsbetrieb und Auszubildender (Azubi) nicht gelingt, sich gütlich im Rahmen eines Aufhebungsvertrages zu einigen. Wir geben Ihnen hier einen Überblick über die Voraussetzungen einer Kündigung im Ausbildungsverhältnis. Diese richten sich danach, ob der Ausbildungsvertag während oder nach der Probezeit gekündigt wird.
Herausforderungen der Ausbildung
Das Ziel der Ausbildung ist es, dem Auszubildenden die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber die Kündigung während der Ausbildung stark eingeschränkt. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund möglich, damit der Auszubildende (Azubi) seine Ausbildung ohne Angst vor einer Kündigung absolvieren kann.
Fristlose Kündigung im Ausbildungsverhältnis während der Probezeit
Während der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit fristlos gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 BBIG). Die Kündigung muss spätestens am letzten Tag der Probezeit dem Auszubildenden zugehen. Obwohl diese Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich ist, handelt es sich um eine ordentliche Kündigung. Das bedeutet, es sind keine speziellen Gründe für die Kündigung erforderlich, und die Gründe müssen nicht unbedingt mit der Ausbildung selbst zusammenhängen (BAG, Urteil v. 08.03.1977, 4 AZR 700/75).
Fristlose Kündigung im Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit
Nach der Probezeit kann der Arbeitgeber die Ausbildung nur aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen (§ 22 Abs. 2 Nr.1 BBiG). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Ausbildungsziel erheblich gefährdet ist und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Das Verständnis des wichtigen Grundes gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht dem eines wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB (BAG 08.05.2014, 2 AZR 249/13).
Vorherige Abmahnung erforderlich
Bevor eine fristlose Kündigung im Ausbildungsverhältnis ausgesprochen werden kann, ist eine vorherige Abmahnung erforderlic. Dies gilt insbesondere, wenn es um ein steuerbares Verhalten geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Androhung von Konsequenzen für das Ausbildungsverhältnis das zukünftige Verhalten positiv beeinflussen kann.
Ausnahmen bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen
Es gibt Ausnahmen, bei denen eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist, insbesondere wenn es sich um schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit für den Auszubildenden offensichtlich ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 01.07.1999, 2 AZR 676/98).
Wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber
Folgende Gründe sind für eine fristlose Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb von der Rechtsprechung anerkannt worden:
- Arbeitsverweigerung: Wenn ein Auszubildenden, nach dem Berufsschulunterricht im Ausbildungsbetrieb die betriebliche Ausbildung hartnäckig verweigert, kann dies nach vorheriger Abmahnung eine fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses rechtfertigen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.10.2008, 15 Sa 1608/08).
- Beleidigung des Arbeitgebers / Ausbilders: Beleidigt ein Auszubildender seinen Arbeitgeber oder Ausbilder auf den sozialen Medien (Beleidigung des Arbeitgebers auf Facebook als „Menschenschinder“ und „Ausbeuter“ und macht abfällige Bemerkungen über seine Tätigkeit („dämliche Scheiße“), rechtfertigt dies eine außerordentliche fristlose Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses (LAG Hamm, Urteil v. 10.10.2012, 3 Sa 644/12).
- Straftaten wie Diebstahl, Unterschlagung: Der Diebstahl oder Unterschlagung von 500,00 Euro stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigt. Das gilt ebenso für den dringenden Verdacht einer solchen Pflichtverletzung (BAG, Urteil v. 12.02.2015, 6 AZR 845/13). Der Arbeitgeber kann somit auch im Ausbildungsverhältnis eine Verdachtskündigung aussprechen.
- Straftaten, außerbetriebliche : Außerhalb des Ausbildungsverhältnisses begangene Straftaten können nur dann eine Kündigung rechtfertigen wenn sie einen Bezug zum Ausbildungsverhältnis haben und dadurch das Vertrauensverhältnis erschüttert ist (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.11.2009, 13 Sa 1766/09).
- Unentschuldigtes Fehlen, Berufsschule: Das unentschuldigte Fehlen eines Auszubildenden für einen ganzen Arbeitstag ohne ausreichende Information des Arbeitgebers kann, im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung, eine außerordentliche Kündigung im Ausbildungsverhältnis rechtfertigen (BAG Urteil vom 15.03.2001 – 2 AZR 147/00). Eine längere Abwesenheit im Berufsschulunterricht ohne ausreichende Information zum Abwesenheitsgrund und ohne arbeitsunfähig zu sein, kann ebenfalls einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Ausbildungsverhältnis rechtfertigen (ArbG Magdeburg, Urteil v. 07.09.2011, 3 Ca 1640/11).
- Urlaub: Der eigenmächtige Urlaubsantritt des Auszubildenden stellt nicht in jedem Fall einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung im Ausbildungsverhältnis dar. Es müssen zusätzliche erschwerende Umstände hinzukommen, wie etwa vorherige Versuche, sich durch Täuschung von der Arbeit freizustellen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 09.11.2005, 10 Sa 686/05).
Interessenabwägung
Letztlich erfordert die fristlose Kündigung der Ausbildung eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Bei der Abwägung sind auch das jugendliche Alter und eine etwa nicht voll ausgereifte Persönlichkeit des Auszubildenden zu berücksichtigen. Ferner ist der Zweck der Ausbildung zu berücksichtigen, wonach der Ausbilder verpflichtet ist, den Auszubildenden auch charakterlich zu fördern (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG). Hierfür bedarf es aber auch einer tragfähigen Vertrauensbasis. Insbesondere muss der ausbildende Arbeitgeber darauf vertrauen können, dass der Auszubildende ihn nicht vorsätzlich schädigt (BAG, Urteil v. 12.02.2015, 6 AZR 845/13).
Kündigung muss schriftlich mit Angabe der Kündigungsgründe erfolgen
Die fristlose Kündigung nach der Probezeit muss schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen (§ 22 Abs. 3 BBiG). Werden die Kündigungsgründe nicht in dem Kündigungsschreiben angegeben, ist die Kündigung nichtig. Nachträglich können die Kündigungsgründe nicht mehr mitgeteilt werden. Hierzu müssen die Tatsachen für die Kündigung so konkret angegeben werden, dass der Lebenssachverhalt in einem späteren Prozess nicht zweifelhaft ist. In einem späteren Prozess darf sich der Arbeitgeber nicht auf Gründe stützen, die er nicht in dem Kündigungsschreiben angegeben hat.
Zwei-Wochen-Frist
Die fristlose Kündigung nach der Probezeit muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes erklärt werden (§ 22 Abs. 5 BBiG).
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