Was tun, wenn Ihnen plötzlich der Entzug der Personalverantwortung oder die Entleitung droht? Was Sie als Führungskraft wissen müssen:
Stellen Sie sich vor: Sie sind Abteilungsleiter, verantwortlich für ein Team und erfahren, dass man Ihren Bereich umstrukturieren will. Damit verbunden ist der Entzug von Personalverantwortung. Ihr Team soll aufgeteilt und unter andere Führungskräfte gestellt werden. Ihr Gehalt bleibt zwar gleich, Sie bekommen jedoch neue Aufgaben im Unternehmen. Allerdings keine Führungsaufgaben mehr. Verständlich, wenn Sie sich dadurch auf das Abstellgleis geschoben fühlen und befürchten, dass Ihre Karriere ins Stocken gerät. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Sie sich als Führungskraft dagegen wehren können.
Der Entzug von Personalverantwortung als ernstzunehmendes Problem
Für viele Führungskräfte bedeutet der Entzug von Personalverantwortung nicht nur der Verlust wichtiger Aufgaben, sondern auch eine Demütigung und Degradierung. Plötzlich befindet man sich in einer Position, in der man „kaltgestellt“ wird, ohne jedoch seinen Job zu verlieren. Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit, eine in Ungnade gefallene Führungskraft auf das Abstellgleis zu schieben, wenn keine Gründe für eine Kündigung vorliegen. Daher ist dies häufig auch der Anfang vom Ende.
Die Situation ist kein Einzelfall. So wurde beispielsweise einem Mandanten von uns, erfolgreicher Bereichsleiter plötzlich die Personalverantwortung entzogen. Der Arbeitgeber wollte ihn auf einer anderen Postion ohne Personalverantwortung versetzen und setzte auf seine bisherige Position eine neu eingestellte Führungskraft. Der betroffene Mandant fühlte sich hilflos und fragte sich, wie er seine Karriere retten könnte.
Wann ist der Entzug von Personalverantwortung unzulässig?
Oft wissen betroffene Führungskräfte nicht, dass der Entzug von Personalverantwortung rechtlich gar nicht zulässig ist. Wenn die Personalverantwortung Bestandteil des Arbeitsvertrages oder der Aufgabenbeschreibung ist, handelt es sich um eine Vertragsverletzung, wenn diese einseitig entzogen wird. Hier greift das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat in zahlreichen Urteilen klargestellt, dass Arbeitnehmern nur gleichwertige Aufgaben zugewiesen werden dürfen, die ihrem bisherigen Verantwortungsbereich entsprechen.
So setzen Sie sich erfolgreich gegen den Entzug von Personalverantwortung zur Wehr
Lassen Sie sich nicht einschüchtern! Der Entzug von Personalverantwortung bedeutet nicht, dass Sie diese Entscheidung einfach hinnehmen müssen. Tatsächlich haben Sie das Recht, gegen solche Maßnahmen vorzugehen:
1. Prüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag sorgfältig
Ein erster wichtiger Schritt ist die Prüfung Ihres Arbeitsvertrages. In vielen Fällen ist klar definiert, welche Aufgaben Sie als Führungskraft haben. Wenn Personalverantwortung Bestandteil Ihres Vertrages ist, können Sie sich gegen eine einseitige Änderung Ihres Aufgabenbereichs wehren.
Das Landesarbeitsgericht Hamburg gab einer Verwaltungsleiterin einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft Recht, deren Aufgaben und Personalverantwortung durch eine Weisung entzogen wurden (LAG Hamburg, Urteil vom 23.10.2013, 6 Sa 29/13). Der in Ungnade gefallenen Führungskraft wurden mehrere Aufgaben, wie
- die Betreuung der Gesamtfirmenbuchhaltung
- die Betreuung finanzieller Angelegenheiten bestimmter Objekte einschließlich der Darlehensverwaltung
- Personalangelegenheiten
entzogen. Darüber hinaus wurde ihre Prokura widerrufen und ihr Gehalt gekürzt. Schließlich erfolgte aufgrund einer Umorganisation auch der Entzug der Personalverantwortung für bestimmte Mitarbeiter.
Der Arbeitgeber hatte sich auf eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag, wonach er berechtigt ist, einzelne Aufgaben zu ändern. Die Klausel berechtigte ihn jedoch nicht zum ersatzlosen Entzug von Personalverantwortung und weiteren Aufgaben. Denn dadurch wurde die Verwaltungsleiterin nicht mehr vertragsgemäß, sondern geringwertiger beschäftigt, so die Hamburger Richter.
Nur gleichwertige Aufgaben dürfen übertragen werden
Im Rahmen des Direktionsrechts dürfen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden nur gleichwertige Aufgaben übertragen können, die innerhalb des vertraglich festgelegten Rahmens liegen. Die Definition von „gleichwertig“ orientiert sich dabei an der üblichen Verkehrsauffassung im Betrieb und dem sich daraus ergebenden Sozialbild (BAG, Urteil v. 30.08.1995, 1 AZR 47/95). Dabei wird die Gleichwertigkeit nicht allein durch die Vergütung hergestellt. Das Arbeitsverhältnis genießt Bestandsschutz auch gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit kommt es auf den Inhalt und die Anforderungen der Tätigkeit, den Umfang der Entscheidungsbefugnisse und die Anzahl der unterstellen Mitarbeiter an (LAG Hessen, Urteil v. 24.06.2014, 8 Sa 1216/13; LAG Köln, Urteil v. 11.12.2009, 10 Sa 328/09).
Prokura ist widerruflich
Die Prokura durfte der Arbeitgeber zwar wirksam widerrufen. Der Widerruf hat ihm aber nicht das Recht gegeben, in den vertraglich vereinbarten Aufgabenumfang einzugreifen. Dies gilt auch für Aufgaben, die gleichzeitig mit der Prokura übertragen worden sind.
Entzug von Personalverantwortung unwirksam
Der vollständige Entzug der Personalverantwortung war im konkreten Fall unwirksam. Der Arbeitgeber konnte die Führungsaufgabe nicht durch eine einseitige Organisationsentscheidung entziehen, da der Verlust der Vorgesetztenposition zu einer niedrigeren Stellung der Verwaltungsleiterin in der Betriebshierarchie geführt hätte (LAG Hamburg, Urteil vom 23.10.2013, 6 Sa 29/13).
Es spielt dabei auch keine Rolle, welchen prozentualen Anteil die Personalführung an der Gesamtaufgabe der Führungskraft hat. Allein die Tatsache, dass eine Tätigkeit mit Führungsaufgaben verbunden ist, wertet diese in erheblichem Maße auf (LAG Köln, Beschluss v. 07.03.2012, 3 TaBV 77/11).
Prüfen Sie neue Aufgaben kritisch
Bevor eine neue Aufgabe annehmen oder einer Versetzung in eine andere Abteilung zustimmen, sollten Sie genau prüfen, ob die neue Position mit ihrer bisherigen gleichwertig ist. Geringwertigere Aufgaben oder einen Entzug von Personalverantwortung brauchen und sollten Sie nicht akzeptieren. Nicht selten ist auch die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam, so dass Ihnen Ihr Arbeitgeber noch nicht einmal andere Aufgaben zuweisen darf.
2. Entzug von Personalverantwortung- schleichende Entleitung: Notieren Sie sich Änderungen genau
Nicht selten erfolgt der Entzug von Personalverantwortung oder Aufgaben schleichend über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg. Peu à peu wird Ihr Aufgaben- oder Verantwortungsbereich eingeschränkt, bis von Ihren Führungsaufgaben nicht mehr viel übrig bleibt. Dieser Prozess wird Entleitung genannt. Dies wird von Arbeitgebern auch gern als probates Mittel genutzt, um die Führungskraft auf das „Abstellgleis“ abzuschieben und ihr die Führungs- und Personalverantwortung zu entziehen, bis sie schließlich schließlich entnervt von allein geht.
Notieren Sie sich jede Änderung von Aufgaben und dem Entzug von Personalverantwortung in einem Entleitungs-Tagebuch, in dem Sie die Weisung und Änderung, Das Datum und Zeugen festhalten. Indikatoren für eine schleichende Entleitung sind:
3. Widersprechen Sie dem Entzug von Personalverantwortung
Widersprechen Sie dem Entzug von Personalverantwortung, In keinem Fall sollten Sie sich mit dem dem Entzug von Aufgaben einverstanden erklären. Bei einer Aufgabenänderung, Versetzung und Entleitung, wie dem Entzug von Personalverantwortung, sollten Sie frühzeitig handeln, um die taktisch richtigen Weichen zu stellen. Bevor Sie sich vorschnell mit einer Änderung des Aufgabenbereichs einverstanden erklären, sollten Sie vorher vom spezialisiertem Anwalt für Arbeitsrecht klären lassen, ob die Versetzung oder Änderung Ihres Aufgaben- oder Verantwortungsbereiches rechtmäßig ist und wie Sie sich am besten verhalten. Haben Sie sich hingegen erst einmal mit einer Änderung einverstanden erklärt oder die neuen Tätigkeiten aufgenommen, kann darin Ihre stillschweigende Zustimmung gesehen werden. Dann ist es kaum noch möglich, sich dagegen im Nachhinein zu wehren.
4. Holen Sie sich frühzeitig rechtliche Unterstützung
Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unsere Kanzlei hat bereits zahlreichen Führungskräften geholfen, die gegen den Entzug von Personalverantwortung vorgehen mussten. Wir prüfen Ihren Fall und klären mit Ihnen die rechtlichen Möglichkeiten. Wir vertreten Sie zunächst außergerichtlich, um mit Ihrem Arbeitgeber eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn nötig, auch vor Gericht.
5. Entzug von Personalverantwortung per einstweiliger Verfügung vorläufig stoppen
Wenn eine außergerichtliche Lösung nicht möglich, können Sie Ihre vertraglich gesicherte Position durch eine einstweilige Verfügung vorläufig sichern. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass Ihre Personalverantwortung bis endgültigen Klärung erhalten bleibt. Eine Beschäftigungsklage kann sich über einen längeren Zeitraum hinziehen und wenn die Umstrukturierung erst einmal abgeschlossen ist, ist eine Rückkehr auf die bisherige Postion meist schwierig. Mit der einstweiligen Verfügung schaffen Sie eine vorläufige Regelung und erhöhen damit den Druck auf Ihren Arbeitgeber. Ein mögliches Ziel kann dabei auch sein, statt der Weiterbeschäftigung eine hohe Abfindung auszuhandeln.
Zeitnahes Handeln ist entscheidend
Die Arbeitsgericht stellen hohe Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Verfügung. In der Regel muss diese innerhalb weniger Wochen erhoben werden. Zögern Sie zu lang, kann das Gericht die Dringlichkeit als widerlegt ansehen.
Für eine einstweilige Verfügung müssen Sie darlegen und glaubhaft machen, dass eine schnelle Entscheidung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§§ 935, 940 ZPO). Eine verbreitete Ansicht in der Rechtsprechung sieht den Verfügungsgrund als gegeben an, wenn der Beschäftigungsanspruch sonst durch Zeitablauf schrittweise verloren geht (LAG Hamm, Urteil v. 05.02.2021, 12 SaGa 1/21). Nach dieser Auffassung kann der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse daran haben, einen offensichtlich rechtswidrigen Zustandes aufrechtzuerhalten.
Zudem würde die verfassungsrechtlich geschützte Position des Arbeitnehmers sonst auch unwiederbringlich beeinträchtigt (LAG Hamm v. 05.02.2021, 12 SaGa 1/21; LAG Hamburg, Urteil v. Urteil v. 23.08.2017, 5 SaGa 2/17; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 05.02.2015, 10 Ta 73/15; LAG Hessen v. 28.06.2010, 16 SaGa 811/10).
Unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung
Es gibt aber auch die Auffassung, dass der Arbeitnehmer ein besonderes Interesse an seiner Beschäftigung darlegen und glaubhaft machen muss, warum er gerade auf die beantragte Beschäftigung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angewiesen ist. Allein der mögliche Verlust durch Zeitablauf reiche nicht aus (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.02.2017, 21 SaGa 1/16).
Selbst wenn das zuständige Gericht der letzteren Auffassung folgen sollte, gibt es eine Wechselwirkung zwischen dem Verfügungsanspruch und dem Verfügungsgrund: Je stärker der Verfügungsanspruchs ist, desto geringer sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.05.2021, 3 SaGa 1/21; LAG Hessen, 15.12.2017, 10 SaGA 1508/17).
Evident rechtswidriger Entzug von Personalverantwortung
Wenn der Entzug Ihrer Personalverantwortung eindeutig rechtswidrig ist, besteht aller Voraussicht nach auch eine Verpflichtung, den Arbeitnehmer zu den alten Arbeitsbedingungen zu beschäftigen. Denn in diesem Fall hat der Arbeitgeber kein schutzwürdiges Interesse daran, den Arbeitnehmer – auch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache – nicht vertragsgemäß beschäftigen zu müssen (so mit unterschiedlichen Nuancierungen: LAG Hessen, Urteil v. 19.08.2002, 16 SaGa 1118/02; LAG Hessen, Urteil v. 02.06.2006, 10 SaGa 565/06; LAG Köln, Urteil v. 14.08.2009 9 Ta 264/09; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 12.05.2009, 5 Sa Ga 4/08; Sächsisches LAG, Urteil v. 08.03.1996, 3 Sa 77/96).
Das könnte Sie auch interessieren:
Freistellung ohne Kündigung – was Führungskräfte JETZT tun können
Was Fach- und Führungskräfte bei einer Änderungskündigung beachten sollten
Gekündigt – was nun? Der 7-Schritte-Notfallplan
Betriebsbedingte Kündigung: Arbeitgeber muss Wegfall des Arbeitsplatzes konkret vortragen