Das duale Studium bietet eine ideale Kombination aus Theorie und Praxis und erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit. Doch häufig stellt sich die wichtige Frage: Was passiert, wenn ich nach meinem dualen Studium nicht im Unternehmen bleiben möchte? Hier kommt die sogenannte Rückzahlungsklausel für das duale Studium ins Spiel. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie sich als Absolvent eines dualen Studiums gegen unfaire Rückzahlungsklauseln wehren und hohe Rückzahlung von Studiengebühren vermeiden.
Inhaltsverzeichnis
Rückzahlungsklausel für duales Studium: Wie Sie die Rückzahlung der Studiengebühren umgehen
Wenn Ihr Arbeitgeber von Ihnen die Rückzahlung der Studiengebühren für Ihr duales Studium verlangt, sollten Sie den Betrag genau prüfen! Denn in vielen Fällen sind Rückzahlungsklauseln für ein duales Studium unwirksam. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann eine Rückzahlungsklausel für ein duales Studium unzulässig ist, welche Rechte Sie haben und wie Sie sich erfolgreich dagegen wehren können.
Rückzahlungsklauseln für duales Studium sind erlaubt – aber nicht immer wirksam
Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber Rückzahlungsklauseln für ein duales Studium in den Fortbildungsvertrag aufnehmen, um sicherzustellen, dass Absolventen nach Abschluss des Studiums eine gewisse Zeit im Unternehmen bleiben. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klare Regeln aufgestellt: Eine Rückzahlungsklausel für ein duales Studium darf Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Besonders das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) schränkt die Zulässigkeit solcher Klauseln stark ein (BAG, Urteil v. 21.11.2002, 6 AZR 77/01. Dieses Grundrecht schützt das Interesse des Arbeitnehmers, einen gewählten Arbeitsplatz beizubehalten, ihn zu wechseln oder ganz aufzuheben.
Ausgewogen ist eine Rückzahlungsklausel für ein duales Studium nur dann, wenn der Arbeitnehmer es in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der betriebstreue Arbeitnehmer die in seine Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition seines Arbeitgebers belastet. Eine solche Rückzahlungsklausel für ein duales Studium berücksichtigt nicht die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner, sondern einseitig nur die des Arbeitgebers und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
Hier sind die wichtigsten Gründe, warum, solche Klauseln vor Gericht scheitern
1. Pauschale Rückzahlungsklausel für duales Studium ist unwirksam
Eine Rückzahlungsklausel für ein duales Studium darf nicht pauschal jeden Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers erfassen. Die Klausel muss zwischen den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die in der Sphäre des Arbeitgebers und solchen, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, unterscheiden. Unzulässig ist die Rückzahlungspflicht in folgenden Fällen:
- Betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber (BAG, Urteil v. 06.05.1998, 5 AZR 535/97)
- Arbeitgeberseitige Kündigung ohne vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers (BAG, Urteil v. 24.06.2004, 6 AZR 383/03)
- Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen Fehlverhalten des Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 11.04.2006, 9 AZR 610/05) oder
- Personenbedingte Eigenkündigung des Arbeitnehmers (z.B., wenn er unverschuldet dauerhaft aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage ist, das Arbeitsverhältnis einzugehen oder fortzusetzen (BAG, Urteil v. 01.03.2022, 9 AZR 260/21; Urteil v. 11.12.2018, 9 AZR 383/18; LAG Hamm, Urteil v. 29.01.2021, 1 Sa 954/20).
Bereits die Vereinbarung solcher Klauseln, die keine angemessene Differenzierung enthalten, ist unzulässig – unabhängig davon, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Grund zur Kündigung vorliegt (BAG, Urteil v. 11.12.2018, 9 AZR 383/18).
2. Rückzahlung bei Nichtbestehen oder Nichtablegen der Prüfung – oft unwirksam
Die Rückzahlungsklausel für ein duales Studium ist ebenfalls unwirksam, wenn sie die Rückzahlungspflicht unabhängig von den Gründen für das Nichtablegen oder Nichtbestehen der Prüfung vorsieht.
- Arbeitgeberseitiges Fehlverhalten: Die Klausel darf keine Rückzahlungsverpflichtung vorsehen, wenn der Student die Prüfung nicht ablegt, weil ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens nicht mehr zumutbar ist und er es deshalb vorher kündigt (BAG, Urteil v. 25.04.2023, 9 AZR 187/22).
- Härtefallregelung reicht nicht aus: Eine Härtefallregelung reicht für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel nicht aus, wenn der Arbeitnehmer bei Erkrankung und Pflege eines nahen Angehörigen die Prüfung nicht ablegen kann, gleichwohl aber verpflichtet ist, das duale Studium fortzusetzen. Damit ist nur eine Suspendierung der Pflicht, die Prüfung abzulegen, nicht aber die Aufhebung der Rückzahlugspflicht vereinbart (BAG, Urteil v. 25.04.2023, 9 AZR 187/22).
3. Keine Beschäftigungsgarantie? – Rückzahlungsklausel für duales Studium unwirksam
Die Rückzahlungsklausel für ein duales Studium ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, den Absolventen nach dem dualen Studium entsprechend seiner erworbenen Qualifikation weiterzubeschäftigen BAG, Urteil v. 05.12.2002, 6 AZR 537/00).
- Angmessene Weiterbeschäftigung: Arbeitgeber müssen sich daher bereits in der Fortbildungsvereinbarung dazu verpflichten, dem Arbeitnehmer nach Abschluss des dualen Studiums ein angemessenes Arbeitsverhältnis anzubieten (BAG, Urteil v. 18.11.2008, 3 AZR 192/07).
Beispiel:
Ein Fall, der vor dem Arbeitsgericht Hamburg landete, zeigt deutlich, wie problematisch solche Klauseln sein können: Ein Unternehmen forderte von seinem ehemaligen dualen Studenten die Rückzahlung von 17.740 Euro, nachdem dieser den angebotenen Arbeitsvertrag nach Abschluss des dualen Studiums abgelehnt hatte. Das Gericht entschied jedoch zugunsten des ehemaligen Studenten und erklärte die Rückzahlungsklausel für unwirksam. Denn die Rückzahlungsklausel enthielt keine ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach Abschluss des dualen Studiums weiterzubeschäftigen. Besteht kein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so fehlt dem Absolventen die Möglichkeit, die Studiengebühren durch eigene Betriebstreue abzugelten (Arbeitsgericht Hamburg, Urteil v. 03.04.2009, 14 Ca 150/08).
- Bedingungen der Weiterbeschäftigung: Auch die weiteren Bedingungen der Weiterbeschäftigung müssen in der Fortbildungsvereinbarung klar und transparent geregelt sein. Es muss zumindest rahmenmäßig bestimmt sein, zu welchen Bedingungen die Berufstätigkeit erfolgen soll. Dazu gehören Angaben
- zum Beginn des Vertragesverhältnisses
- zu Art der Beschäftigung
- zeitlichem Umfang der Beschäftigung (Vollzeit oder Teilzeit) und
- zur Vergütung.
Eine vertragliche Regelung ohne diese Angaben führt dazu, dass der Absolvent darauf angewiesen ist, gegen Ende seines dualen Studiums jedes, auch jedes unangemessene Angebot des Arbeitgebers für ein Anschlussarbeitsverhältnis anzunehmen, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Eine derartige Fallkonstellation stellt eine übermäßige Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufsfreiheit dar. Die Rückzahlungsklausel für das duale Studium ist daher unwirksam (LAG Schleswig-Holstein, 23.05.2007, 3 Sa 28/07).
Tipp:
Prüfen Sie, ob Ihr Vertrag eine verbindliche Zusage zur Weiterbeschäftigung enthält und die Konditionen genannt werden.
4. Rückzahlungskosten müssen klar und transparent aufgeschlüsselt sein
Die Rückzahlungsklausel für ein duales Studium ist unwirksam, wenn die Klausel nicht erkennen lässt, welche finanziellen Belastungen – ggfs. in welcher Größenordnung – auf den Arbeitnehmer zukommen. Eine Rückzahlungsklausel verstößt gegen das Transparenzgebot, wenn sie dem Arbeitgeber vermeidbare Spielräume hinsichtlich der zu erstattenen Kosten gewährt (BAG, Urteil v. 06.08.2013, 9 AZR 442/12).
Dies ist etwa der Fall, wenn nicht deutlich wird, ob sich die im Vertrag genannten Studiengebühren pro Semester beziehen oder insgesamt. Soll auch die während des dualen Studiums gezahlte Vergütung an den Arbeitgeber zurückgezahlt werden, muss deutlich gemacht werden, ob es sich um Arbeitnehmerbruttobeträge oder Arbeitgeberbruttobeträge handelt. Wird die Vergütung im Laufe des dualen Studiums erhöht, ist die Rückzahlungsklausel hinsichtlich der erhöhten Rückzahlungskosten anzupassen, zumindest darauf hinzuweisen, dass sich Rückzahlungsbetrag entsprechend erhöht (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 08.03.2017, 3 Sa 275/16).
Tipp:
Gerade weil es sich bei Absolventen um Auszubildende im weitesten Sinne bzw. um Berufsanfänger handelt, sind besonders hohe Anforderungen an das Transparenzgebot für vertragliche Rückzahlungsklauseln bei einem dualen Studium zu stellen.
5. Die Dauer der Bindungsfrist steht nicht im Verhältnis zum Dauer des dualen Studiums
Die Rückzahlungsklausel in Vertrag über eine duales Studium ist nur wirksam, wenn die Vorteile des Studiums und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BAG, Urteil v. 14.01.2009, 3 AZR 900/07). Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikationen zu beurteilen.
Grundsätzlich gilt dabei Folgendes:
Bei einer Fortbildungsdauer ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung (Freistellung) unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindung zulässig:
Dauer der Fortbildung | Bindungsdauer | Urteil |
---|---|---|
ein Monat | sechs Monate | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 |
bis zu 2 Monaten | 1 Jahr | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 15.12.1983, 5 AZR 279/93 |
3 bis 4 Monate | 2 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 06.09.1995, 5 AZR 241/94 |
6 bis 12 Monate | 3 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 11.04.1984, 5 AZR 430/82 |
mehr als 2 Jahre | 5 Jahre | BAG, Urteil v. 19.01.2011, 3 AZR 621/08 BAG, Urteil v. 19.06.1974, 5 AZR 299/73 |
Es handelt sich hier nur um Richtwerte, die je nach Qualität und Kosten der Ausbildung im Einzelfall auch abweichen können. Dabei kommt es für die Fortbildungsdauer darauf an, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Fortbildung unter Fortzahlung der Vergütung freistellt, oder ob er die Fortbildung nebenberuflich in seiner Freizeit absolviert. Besteht die Ausbildung aus mehreren Unterrichtsabschnitten, so sind die dazwischenliegenden Zeiten bei der Berechnung der Dauer nicht mit zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 6.9.1995, 5 AZR 241/94).
Bindungsdauer von 5 Jahren für Master-Studiengang ist deutlich zu lang
Die Bindungsdauer von 5 Jahren für einen berufsbegleitenden Master-Studiengang, der über einen Zeitraum von 4 Semestern geht, ist deutlich zu lang, entschied das LAG Niedersachen. In dem von uns (ALSTER Rechtsanwälte PartmbB) vertretenen Fall verlangte das klagende Land Niedersachsen von der Mitarbeiterin die Studiengebühren für ein berufsbegleitendes Master-Studium „Baurecht im Lebenszyklus von Bauwerken“ der BWI-Bau GmbH – Institut für Bauwirtschaft in Kooperation mit der Fachhochschule Münster. Unsere Mandantin wurde für die Teilnahme an dem berufsbegleitenden Studium an insgesamt 50 Tagen von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bezahlt freigestellt.
Dies rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Bindungsdauer von von einem Jahr. Unter Berücksichtigung der vom klagenden Land aufgewendeten Studiengebühren von 14.280 Euro, sowie des Umstandes, dass die Masterqualifikation für die Mitarbeiterin einen spürbaren, deutlichen Vorteil bringt, da es sich um einen allseitig, insbesondere auch in der gesamten Privatwirtschaft, anerkannten Abschluss handelt, ist aus Sicht des LAG Niedersachen eine Bindung von maximal zwei Jahren zulässig (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht (LAG Niedersachsen, Urteil v. 05.06.2024, 8 Sa 562/23).
Fazit: Alles-oder-Nichts-Prinzip
Rückzahlungsklauseln für das duale Studium sind in vielen Fällen unwirksam. Da es keine gesetzliche Grundlage für die Rückzahlung von Fortbildungskosten gibt, gilt das Alles-oder-nichts-Prinzip: Wenn auch nur ein Teil der Rückzahlungsklausel im Vertrag über das duale Studium unwirksam ist, muss der Arbeitnehmer keine Studiengebühren zurückzahlen. Der Arbeitgeber trägt die Kosten allen.
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Vielleicht stehen Sie auch vor der Frage: Muss ich die Studiengebühren für das duale Studium wirklich zurückzahlen?
Rückzahlungsklausel duales Studium – Häufige Fragen und Antworten (FQA)
Was ist eine Rückzahlungsklausel für das duale Studium?
Die Rückzahlungsklausel für ein duales Studium ist eine vertragliche Regelung, die Unternehmen nutzen, um sicherzustellen, dass Studierende nach dem Studium eine bestimmte Zeit im Unternehmen verbleiben. Sollte der oder die Absolvent*in das Unternehmen früher verlassen, verpflichtet die Rückzahlungsklausel regelmäßig dazu, die vom Arbeitgeber getragenen Fortbildungskosten zurückzuzahlen. Diese Kosten umfassen meist:
– Studiengebühren an der Hochschule
– Prüfungsgebühren
– Anmeldegebühren
– Reisekosten
– Vergütung während einer bezahlten Freistellung
Sind Rückzahlungsklauseln für das duale Studium rechtlich zulässig?
Ja, grundsätzlich sind Rückzahlungsklauseln im dualen Studium zulässig, allerdings gibt es klare rechtliche Vorgaben. Arbeitgeber können nicht einfach beliebige Rückzahlungen verlangen – die Klauseln müssen bestimmten Anforderungen entsprechen, damit sie rechtlich wirksam sind.
ALSTER Rechtsanwälte – Ihre Partner im Arbeitsrecht.
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