Arbeitnehmer in Elternzeit sind vor Massentlassungen geschützt, auch wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt die Kündigung in Elternzeit erhalten
Was war passiert?
Eine Mutter, die sich in Elternzeit befand, erhielt eine Kündigung vom Arbeitgeber wegen der Stilllegung des Betriebes. Da die Kündigung in Elternzeit die Zustimmung der obersten Landesbehörde bedarf, konnte der Arbeitgeber ihr gegenüber die Kündigung erst nach der eigentlichen Entlassungswelle aussprechen. In einer ersten Entscheidung hielt das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Kündigung gegenüber Mutter in Elternzeit für wirksam, während es die Kündigungen der übrigen Arbeitnehmer wegen fehlerhafter Information des Betriebsrates für unwirksam hielt.
Arbeitgeber müssen bei Massentlassungen, die innerhalb von 30 Tagen ausgesprochen werden, vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat informieren und der Agentur für Arbeit eine sogenannte Massenentlassungsanzeige erstatten.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei die Kündigung der Mutter in Elternzeit aber nicht anzeigepflichtig gewesen, da ihre Kündigung wegen der behördlichen Zustimmung erst nach Ablauf des Zeitraums von 30 Kalendertagen ausgesprochen wurde.
Diskriminierung wegen Elternzeit
Gegen das Urteil legte die Mutter Verfassungsbeschwerde ein. Sie fühlte sich durch das Urteil des BAG wegen ihrer Elternzeit diskriminiert. Das Bundesverfassungsgericht gab der Mutter Recht und hob das Urteil des BAG auf. Es führte aus, dass die Arbeitnehmerin wegen der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit und wegen ihres Geschlechts unzulässig benachteiligt werde, wenn ihr der Schutz vor Massenentlassungen versagt werde. Das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung habe dazu geführt. dass die Kündigung erst nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums erklärt wurde. Wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei, gelte in diesen Fällen der 30-Tage-Zeitraum auch als gewahrt, entschieden die Verfassungsrichter (BVerfG, Beschluss v. 08.06.2016, 1 BvR 3634/13).
BAG änderte seine Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht war an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden und stellte nun fest, dass die nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums ausgesprochene Kündigung noch unter die Massenentlassung fiel und daher ebenfalls unwirksam war.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2017, 6 AZR 442/16).